B. V. Ramans Interpretation des Jyotish-Charts von Albert Einstein

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Der anerkannte indische Astrologe Bangalore Venkata Raman (1912 - 1998) untersucht in seinem Buch "Notable Horoscopes" unter anderem auch das Jyotish-Chart von Albert Einstein. Hier meine Eindrücke und Anmerkungen zu seinen Aussagen.

Die Anmerkungen sind naturgemäß aus meiner Sicht von Jyotish. Da, wo ich nicht mit ihm übereinstimme, ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass er ein tieferes Verständnis von Jyotish als ich besitzt und ich ihm deshalb nicht folgen kann.

Rashi-Chart Albert Einstein * 14.03.1879 11:30 h MEZ Ulm (9E59 48N24)

Sy Surya (Sonne), Ch Chandra (Mond), Ma Mangal (Mars), Bu - Buddha (Merkur), Gu Guru (Jupiter), Sk Shukra (Venus), Sa Shani (Saturn), Ra Rahu, Ke Ketu, La Lagna (Aszendent), rückläufige Planeten in Klammern (gibt aber hier keine). Details zur Stellung der Planeten usw. siehe Jyotish-Datenblatt zu Albert Einstein.

In Bezug auf das Navamsa-Chart gibt es einige Differenzen - u.a. soll bei Raman der Aszendent Widder sein (Lagna 21° statt 15° Zwillinge) und andere Ungereimtheiten; die Ursache dafür ist, dass er nicht den offiziellen Lahiri-Ayanamsa, sondern seinen eigenen speziellen Ayanamsa verwendet. Ich sehe keinen Grund, ihm darin zu folgen. Seine Aussagen zur Navamsa lasse ich daher beiseite.

"Das aufsteigende intellektuelle Zeichen Zwillinge ergibt eine einfühlsame und sensible Art, geistige Ruhelosigkeit und innere intuitive Fähigkeit."

Intuition würde ich nicht so sehr mit Zwillinge verbinden, aber ansonsten stimme ich mit der Einschätzung des Lagna Mithuna überein..

"Der Lagna wird aspektiert vom Gyanakaraka Jupiter vom mystischen Zeichen Wassermann aus, was darauf hinweist, dass Einstein der Welt Gyana gab - nicht eine bloß abstraktes Konzept wie Euklids Raum - sondern Wissen von einem realen Medium, Raum-Zeit, in dem physikalische Prozesse stattfinden und beobachtet werden."

Gyana bedeutet höhere Erkenntnis, nicht bloßes Faktenwissen, insbesondere die Erkenntnis der höchsten Wirklichkeit, des Selbst, Gottes, der allumfassenden Einheit, Brahman. Einstein hat der Welt aber eher ein vertieftes Verständnis des physikalischen Aspekts der Realität gegeben - ein Weisheitslehrer war er nicht, auch wenn er persönlich an philosophischem Wissen interessiert war.

Für sich allein würde ich Wassermann nicht unbedingt als "mystisches Zeichen" sehen, aber da Shani/Saturn, der Herr von Wassermann, hier im Zeichen Fische steht, kann ich dieser Bezeichnung zustimmen.

"Der Herr des Lagna ist ideal plaziert und nicht in irgend eine Art von Schädigung involviert seitens Rahu oder Mars und verlieh Bescheidenheit, Freundlichkeit und Nachsicht und ein charmantes Benehmen."

Eine Begründung für die "ideale Plazierung" des Aszendentenherrn Merkur scheint mir Raman hier nicht zu geben - das ist etwas, was ich recht häufig gerade an interessanten Stellen in seinen Büchern schmerzlich vermisse. Rahu und Mangal können verrohenden Einfluss haben, dessen Abwesenheit hier ausdrücklich vermerkt wird.

"Er hatte eine schlanke Figur und hatte strahlende Augen, was Segnungen des Zwillings-Aszendenten sind."

Kann man sich merken.

"Aszendentenherr Merkur steht in Konjunktion mit Saturn, dem Herrn des 9. Hauses und in Verbindung mit Sonne, dem Herrn von 3 und Venus, dem Herrn von 5 (und 12). Dies ist eine interessante Kombination, die sich auf das 10. Rashi vom Lagna und das 5. vom Mond aus bezieht und einen aktiven, fähigen und durchdringenden Geist anzeigt."

Aktiver Geist, da mit Herr von 3 zusammen, fähig, da mit Herr von 5 und 9 zusammen, das kann ich nachvollziehen, wobei mit Geist (mind) hier offenbar der Intellekt (Buddha) gemeint ist, nicht Manas (Chandra).

"Merkur als Herr des Aszendenten und ebenso des 4. Hauses der Erziehung steht im Fall, aber erhält "Löschung des Falls" (neechabanga). Merkurs ausgezeichnete Stellung erklärt deutlich die Tatsache, dass Einstein sich im Alter von 14 Jahren selbst aus Büchern integrale und differentiale Mathematic und analytische Geometrie beibrachte."

Neechabhanga (sprich: Nietschabhanga) ist eine astrologische Regel, die besagt, dass die Nachteile eines Planeten im Fall unter bestimmten Bedingungen reduziert werden. Eine Bedingung davon ist, dass der Planet im Fall in einem Eckhaus (Kendra) steht - diese Bedingung ist hier erfüllt, denn Buddha im Fall in Fische steht im einflussreichsten Kendra, dem 10. Haus. Eine weitere Bedingung ist, dass der Herr des Zeichens, in dem der Planet im Fall steht, stark und günstig steht (am besten erhöht) oder der Planet im Fall eine enge Verbindung mit einem erhöhten Planeten eingeht. Guru, der Herr von Fische, steht günstig im 9. Haus, ist ein Rajayoga-Karaka und steht immerhin im Zeichen seines Freundes Saturn recht stark. Zudem steht Shukra, ebenfalls ein Rajayoga-Planet, erhöht mit Buddha in Konjunktion. Auch Shani, der mit Buddha zusammen steht, ist ein Rajayoga-Planet. Das 10. Haus ist zudem ein verbesserndes Haus. Alles zusammen bewertet sind starke Neechabhanga-Faktoren gegeben.

Allerdings bin ich der Auffassung, dass man die Neechbhanga-Regel nicht einfach so auslegen darf, dass man sagt: "der Planet steht nicht im Fall, sondern sehr gut". Es bedeutet vielmehr, dass andere Planeten dafür sorgen, dass die Schwäche, die der Planet im Fall anzeigt, von anderweitigen starken Faktoren im Sinn einer Überkompensation ausgeglichen werden können. In Zeiten, wo die ausgleichenden Planeten geschwächt sind - etwa durch Transite oder weil ihnen feindlich gesonnene Planeten ihre Phase haben oder an Einfluss gewinnen - kann die Schwäche immer noch ihre negativen Wirkungen entfalten.

Von daher finde ich es problematisch, zu sagen, dass Merkur eine "ausgezeichnete Stellung" in Einsteins Horoskop einnimmt. Ich finde es korrekter, zu formulieren, dass mehrere andere ausgezeichnet gestellte Planeten im Horoskop so eng mit dem schwachen Merkur verbunden sind, dass sie dessen Schwäche auszugleichen vermögen.

"Buddhi Chaturya Yoga setzte Einstein in die Lage, die Physik mit tiefen und herausfordernden Ideen zu revolutionieren."

Interessant. Leider erklärt Raman nicht, was diese Planetenkombination (Yoga) ausmacht; "buddhi" ist der Intellekt, "chatur" bedeutet vier. Vielleicht beinhaltet der Yoga also so etwa, dass Buddha (Merkur) mit drei anderen Planeten zusammen in einem Kendra oder Trikona steht. Googeln dieses speziellen Yoga brachte kein Ergebnis.

"Der Karaka für Musik, d.h. Venus, steht mit dem Herrn des Lagna zusammen. Infolgedessen war Einstein ein mehr als durchschnittlicher Violinenspieler; seine Lieblingskomponisten waren Bach und Mozart."

Gut dargestellt, dass durch die Konjunktion des Aszendentenherrn Merkur mit Venus Einstein selbst ein recht guter Musiker war und gute Musik liebte (Venus ist erhöht und Rajayoga-Karaka, was Raman hier nicht erwähnt).

"Man beachte die Stellung von Jupiter, des Planeten der Weisheit, im 9. Haus oder Dharmasthana, zwischen zwei Übeltätern und daher eingebunden in Papakarthari Yoga. Einstein war ein geistig-gesunder Mensch in einer wahnsinnigen Welt, als Wissenschaftler und auch als Heiliger."

"Zwischen zwei Übeltätern" - damit sind Rahu in 10° im vorhergehenden Zeichen Steinbock und Surya in 1° im nachfolgenden Zeichen Fische gemeint. "Papakarthari-Yoga" ist die Stellung (yoga) eines Planeten, wenn er von zwei Übeltäter-Planeten (papa) "eingesperrt" ist - was allerdings m.E. stärker ins Gewicht fällt, wenn sich alle im selben Zeichen befinden.

Jupiter ist in Einsteins Chart ein positiver Faktor; er ist Herr von 4 und aspektiert den Aszendenten, ist aber keineswegs der markanteste persönliche Faktor im Horoskop. Einsteins Charakterisierung im 2. Teil des obigen Zitates sehe ich als extrem-idealisierend und letztlich als nicht zutreffend und nicht hilfreich für ein wahrhaftiges Verständnis seiner Persönlichkeit an. Man muss Einstein nicht zum Heiligen hochstilisieren, um seine Lebensleistung und seine Persönlichkeit zu würdigen.

"Man beachte die ideale Ausprägung der Sonne im 10. vom Lagna und als Herr des 10. vom Mond aus im 5., die eine großartige Unabhängigkeit des Denkens verleiht. Als die deutsche Regierung 1914 darauf bedacht war, intellektuelle Unterstützung für ihre imperialen Bestrebungen zu finden und großen Druck auf ihre führenden Persönlichkeiten ausübte, unterzeichneten 93 von ihnen ein Manifest zur Unterstützung von Deutschlands Eintritt in den 1. Weltkrieg, aber Einstein unterschrieb nicht. "

Die Sonne steht für sich betrachtet sehr stark im Chandra-Chart und stark im Rashi, was für ein hohes Maß an Souveränität und Unabhängigkeit steht. Andererseits steht Surya aber mit einem Feind (Buddha) und zwei extremen Feinden (Shukra und Shani) zusammen und erhält den vollen Aspekt eines weiteren extremen Feindes (Ketu). Als "ideal" würde ich die Stellung der Sonne daher nicht bezeichnen.

"Der Mond steht im Fall im 6. und der Herr des 6. steht mit Rahu zusammen im 8. Diese Kombinationen setzten ihm von zwei Seiten her zu. Auf einer Seite standen die aufsteigenden Nazis, für die er "un-deutsch" war. Für Menschen jenseits des Rheines war er ein deutscher Wissenschaftler, um den zuviel Brimborium gemacht wurde."

Raman beschreibt hier, dass infolge der Stellung des Mondes im Haus der Feinde Einstein persönlichen Angriffen ausgesetzt war. Die 2 Fronten kommen von der Stellung des Karaka (und Herrn) des 6. Hauses, Mars her, der mit Rahu zusammen steht. Rahu neigt immer dazu, eine Zweiheit zu erzeugen, in diesem Zusammenhang hier zwei feindliche Fronten.

"Der Dhanakaraka ist gut gestellt aber der Dhanadhipati (Herr von 2) ist neecha, ansonsten aber nicht geschädigt. Geld war für ihn nicht von Belang." Das gesamte Geld, das er für den Nobelpreis erhielt, gab er für wohltätige Zwecke weiter.

Dhanakaraka ist Jupiter als Karaka des 2. Hauses, des Hauses des Besitzes (Dhana). Der Herr des 2. Hauses ist Chandra, der im Fall (neecha) im 6. Haus steht.

B. V. Raman geht dann auf die Dashas und Lebensereignisse ein. Danach führt er noch als Bemerkungen an:

"Vier Planeten mit Bezug zum 10. Haus, deren Herschaft den Lagna, das 4., 5. und 9. einbeziehen, haben eine Art Parivraja Yoga hervorgebracht, der Einstein zu einem Gyana-Yogi machte. Er arbeitete mit sehr schwer zugänglicher Mathematik, die für den Durchschnittsmenschen unverständlich ist. Die Relativität beinhaltet, über ihre wissenschaftliche Geltung hinausgehend, ein bedeutendes philosophisches System. Man kann von Einsteins Gleichung nur beeindruckt sein - Energie ist gleich der Masse, multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, E=MC² - weil sie der Natur Einheit verleiht.

Wenn Jupiter in einem Horoskop hervorragend gestellt ist, entweder im 9. oder im 10. oder im Lagna, macht es den Menschen philosophisch. In diesem Fall liegt die Betonung auf Dharmasthana (9.) infolge der Gegenwart von Jupiter und Kamasthana (10.) infolge von vier Planeten, die Einstein zu einem 'unbeirrbaren Wahrheitssucher' machten.

Er war nicht bloß ein Wissenschaftler, sondern auch ein Humanist, was durch die Stellung der Sonne im 10. offenbart wird. In setzte in seinen letzten Lebensjahre alle ihm zur Verfügung stehenden Kraft dafür ein, vor dem Missbrauch von Macht zu warnen."

"Der Herr des Lagna, im 10. durch Venus von neechabhanga geprägt, welche wiederum Malavya Yoga bewirkt, zeigt deutlich, dass Einstein unzweifelhaft einer der Größten war, den die Menschheit jemals hervorbrachte."

'Malavya-Yoga' wird auch in der Software Jagannatha Hora als ein Yoga in Einsteins Horoskop aufgeführt. Dieser Yoga wird wirksam, wenn Venus in einem Kendra (Eckhaus) im eigenen Zeichen, Mulatrikona-Zeichen oder erhöht steht und soll bewirken, dass der Geborene 'glücklich ist und sich an Luxus erfreut'. Ansonsten stimme ich mit Raman überein, in der Verbindung des Aszendentenherrn Merkur mit der erhöhten Venus und mit anderen Rajayoga-Planeten in 10 die humanistische und pazifistische Seite von Albert Einsteins Persönlichkeit zu sehen.

Anmerkung zu Yogas in Jyotish: Vielfach ist es üblich, bei der Interpretation ein Horoskops nach speziellen Yogas (Planetenstellungen) zu suchen, die auch einen prägnanten Namen haben wie 'Sarasvati-Yoga' usw., und deren Wirkung zu notieren; so erscheint das Herausfiltern von Yogas quasi als eine Spezial-Abteilung von Jyotish und es wird von einem 'guten Jyotishi' erwartet, dass er eine Vielzahl solcher Yogas auswendig kennt. Im Gegensatz dazu sehe ich in den Texten, in denen solche Yogas gesammelt und beschrieben sind, nichts anderes als Fallbeispiele für adäquates astrologisches Denken. Ihre Lektüre kann helfen, Jyotish-Denken einzuüben, aber zu den Schlussfolgerungen, die in den Yoga-Beschreibungen stehen, kommt man auch ganz ohne Auswendiglernen von Yogas, wenn man guten Interpretationsprinzipien folgt.

Resümee zu B.V. Ramans Interpretation

Raman ist ein großartiger Astrologe, von dem man viel lernen kann. Manchmal frustriert er mich aber auch, weil er vieles von dem, was er vermutlich ganz zurecht aussagt, für mich nicht ausführlich genug erklärt oder begründet. Der Grund liegt vermutlich darin, dass er als extrem erfahrener Astrologe die Fähigkeit entwickelt hat, mit einem kurzen Blick gleich eine ganze Vielzahl von Faktoren in einem Chart zu erfassen; er zieht dann Schlussfolgerungen daraus, die sehr viele Faktoren gut gewichtet mit einbeziehen, führt aber dann meist nur einige wenige dieser Faktoren an, wenn es darum geht, seine Schlussfolgerung zu begründen. Das ist ein Problem der Sprache, insbesondere des sehr starren und sequentiellen schriftlichen Ausdrucks, das mir hier bei den Beispielanalysen auf meiner Seite auch schon begegnet ist.

Bleibt als meine Kritik eigentlich nur übrig, dass er aus meiner Sicht an einigen Stellen die Details in Einsteins Horoskop gar zu idealisierend "filtert". Dies dokumentiert vielleicht, dass Raman ein positiver Mensch war, widerstrebt aber meinem Bedürfnis nach Realismus und Wahrhaftigkeit in der Jyotish-Analyse.

Einstein im Buch 'Die Sieger'