Die 7 Bewusstseinszustände

Erstellt: Januar 2019

Im Zentrum des vedischen Systems der Wissensvermittlung steht die Einsicht, dass Wissen in verschiedenen Zuständen des Bewusstseins des Erkennenden unterschiedlich ist. Ändert sich der Zustand des Bewusstseins des Erkennenden, so ändert sich mit ihm auch sein Wissen. Das Wissen wiederum bestimmt, was für den Erkennenden "Realität" ist.

Wenn wir im folgenden die sieben unterschiedlichen Bewusstseinszustände eines Menschen kennenlernen, die der Veda beschreibt, wird deutlich werden, dass die von der modernen Erkenntnistheorie aufgezeigten Probleme der Erkenntnis charakteristisch für die Erlangung von Wissen im Wachzustand des Bewusstseins sind, in dem das erkennende Subjekt und das Objekt, das erkannt werden soll, sich in der Dynamik des Erkenntnisprozesses unablässig gegenseitig beeinflussen und verändern.

Der Veda unterscheidet folgende sieben Hauptbewusstseinszustände des Menschen:

1. Tiefschlaf (sushupti chetana)
2. Träumen (svapna chetana)
3. Wachen (jagrat chetana)
4. Transzendentales Bewusstsein (turiya chetana)
5. Kosmisches Bewusstsein (turiyatit chetana)
6. Gottesbewusstsein (bhagavad chetana)
7. Einheitsbewusstsein (brahmi chetana)

Jedem dieser sieben Bewusstseinszustände entspricht ein ganz bestimmter Zustand der Erkenntnis oder des Wissens, eine spezifische Methodik der Erlangung von Wissen sowie als Ergebnis des Erkenntnisprozesses eine für diesen Bewusstseinszustand charakteristische Logik und Sichtweise der Realität oder Philosophie.

Der jeweilige Bewusstseinszustand bestimmt dabei stets die Voraussetzungen des Wissens, die Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnis und die Grundstruktur der Weltsicht. Es ist der Zustand des Bewusstseins des Erkennenden, der festlegt, was für ihn Realität ist, was nicht Realität ist und wie der Erkennende seine Realität erfährt, erkennt und beschreibt.

Ein simples Beispiel soll dies verdeutlichen:

Wenn ein Mensch erzählt: "Ich ging aus meinem Haus, erhob mich in die Luft und landete dann auf dem Dach meines Hauses. Da verwandelte sich mein Haus in einen prächtigen Palast. Aus einem Fenster des Palastes sah meine Großmutter hervor. Sie sah wie eine ganz junge Frau aus und ..."

Geht der Zuhöhrer davon aus, daß von einem Erlebnis im Wachbewusstsein berichtet wird, so wird er das Gehörte an den Gesetzmäßigkeiten der Realität des Wachzustandes messen und schlussfolgern: "Dieser Mann spricht nicht die Wahrheit. Er lügt oder ist verrückt. Was er sagt, ist vollkommen unrealistisch. Seine Großmutter ist seit Jahren tot, er kann nicht fliegen, sein Haus sich nicht in einen Palast verwandeln usw."

Der Erzähler hingegen hat ein wahres Erlebnis aus dem Traumzustand seines Bewusstseins geschildert. Wenn man das weiß und die Möglichkeiten der Realität des Traumbewusstseins kennt, wird man finden, dass seine Schilderung durchaus glaubwürdig ist.

Ähnliches gilt, wenn jemand berichtet, wie das Universum mitsamt aller Wesen sich in seinem Bewusstsein bewegt wie Wellen im Ozean:

"Oh, mit bunten Wogen von Wesen jählings erhob sich in mir, dem unendlichen Weltmeer, als der Wind des Geistigen aufstand, die Welt. In mir, dem unendlichen Weltmeer, wenn der Wind des Geistigen zur Ruhe sich legt, versinkt unselig das Schiff der Welt samt seinem Kauffahrer, dem Lebensfunken. In mir, dem unendlichen Weltmeer - o wunderbar - steigen die Wellen der Lebensfunken auf, brechen sich, spielen und gehen in mich ein, wie sie ihr Wesen heißt."

Wenn der Zuhöhrer sich im Wachbewusstsein befindet und davon ausgeht, dass der Erzähler vom selben Zustand des Bewusstseins aus spricht, wird er - je nach eigener Befindlichkeit - zu der Auffassung gelangen, der Sprecher sei verrückt, größenwahnsinnig, betrunken, rauschgiftsüchtig usw. und wird finden, er sei reif für die Psychiatrie, die Ausnüchterungszelle oder den Scheiterhaufen.

Ein Zuhörer, der sich - wie Ashtavakra, der Sprecher des obigen Auszuges aus der Ashtavakra-Gita - im Zustand des Einheitsbewusstseins befindet, wird die Aussagen hingegen ohne weiteres als eine sehr präzise, vernünftige, realistische und angemessene Beschreibung der Wirklichkeit anerkennen.

Es soll aufgezeigt werden, weshalb das Verständnis der sieben Bewusstseinszustände der Schlüssel ist zum Verständnis des Veda, der vedischen Schriften, von Jyotish sowie des Vermächtnisses vieler großer Philosophen, "Mystiker", Religionsstifter und Erleuchteter der großen Kulturen aller Zeiten der Menschheitsgeschichte und auch der Schlüssel zum Verständnis davon, was Erkenntnis ist.

Um zu verstehen, welches die Methoden der vedischen Wissenschaft sind, um verlässliches Wissen hervorzubringen, soll nun jeder der sieben Bewusstseinszustände einzeln beschrieben und in Bezug auf seine Möglichkeiten der Erlangung von Erkenntnis hin untersucht werden.

Die drei "relativen" Bewusstseinszustände: Wachen, Träumen, Schlafen

Diese drei sich stets einander abwechselnden Zustände des Bewusstseins sind von der herkömmlichen westlichen Medizin bzw. Psychologie eingehend erforscht worden. Bedeutsam ist, daß jeder dieser drei Bewusstseinszustände eindeutig identifiziert werden kann nach der ihm entsprechenden Physiologie. Ohne einen Menschen zu befragen, kann man anhand der Messung von Stoffwechselrate, Atemfrequenz, elektrischer Gehirnaktivität (Gehirnwellen) usw. unzweifelhaft feststellen, in welchem der drei Zustände er sich gerade befindet.

1. Der Tiefschlaf

Jeder Mensch kennt den Bewusstseinszustand des traumlosen Tiefschlafs. Oder, besser gesagt: üblicherweise kennt ihn niemand, denn wenn man sich im Zustand traumlosen Schlafes befindet, ist man ohne Bewusstsein. "Ich habe gut geschlafen" heißt: "Ich erinnere mich an nichts".

Welche Erkenntnis ist in diesem Bewusstseinszustand möglich? - nada, nichts, "zappenduster". Abwesenheit von geistiger Aktivität und Abwesenheit von Wachheit kennzeichnen diesen erholsamen, vielgepriesenen, sorgenfreien Zustand des Bewusstseins.

Wird dieser Bewusstseinszustand längere Zeit lang nicht "erfahren", so sind schwere psychotische Störungen der Persönlichkeit und physischer Zusammenbruch die Folge.

2. Der Traumzustand des Bewusstseins (svapna chetana)

Im Traumzustand ziehen Bilder durch das Bewusstsein. Aus einer Ich-Perspektive heraus macht man alle Arten von Erfahrungen. In dieser Phase finden in der vom Schlaf erzeugten Ruhe Stressverarbeitungsprozesse im Körper statt, die entsprechende Aktivitäten auf Seiten des Gehirns und Geistes mit sich bringen. Das Bewusstsein ist weder wach noch ruhig.

Von der Schlafforschung wird die Traumphase auch REM-Phase genannt. REM bedeutet hier "Schnelle Augen-Bewegung" (Rapid Eye Movement) - das Flattern der Augenlider ist ein sicheres Kennzeichen, daß in diesem Moment nicht Tiefschlaf existiert, sondern Traumaktivität stattfindet.

Wenn der Traumzustand für längere Zeit nicht erfahren wird - zum Beispiel, wenn während eines Experimentes die Versuchsperson immer sofort geweckt wird, sobald die REM-Phase beginnt - so treten neurotische Zustände auf.

Wie sieht es mit Erkenntnis im Traumzustand des Bewusstseins aus? Diese Frage bezieht sich wohlbemerkt auf die Erkenntnis im Traumzustand selbst, nicht auf eine mögliche Analyse der Erinnerung an Traumerlebnisse im Wachzustand!

Im Traum wechseln die Erfahrungen rasch, sie unterliegen sehr wenig der Kontrolle des Erfahrenden, der vom Strom der Bilder mitgerissen wird. In der Abwesenheit von Wachheit und Stabilität ist die Erkenntnis hier ebenso schwankend und hilflos wie der Erfahrende selbst. Verlässliches, allgemeingültiges, wissenschaftliches Wissen kann von daher in diesem Zustand nicht erlangt werden.

3. Der Wachzustand des Bewusstseins (jagrat chetana)

Im Wachzustand des Bewusstseins ist der Geist aktiv und gleichzeitig wach. Ein steter Strom von Gedanken durchfließt das Bewusstsein. Mit "Gedanken" ist hier jede Form von mentaler Aktivität gemeint, also auch Gefühle, Erinnerungen, Phantasien, Wahrnehmungen usw.

Der Wachzustand gilt gemeinhin als der "normale" Zustand des menschlichen Bewusstseins. Von ihm aus gesehen erscheint der Schlaf als eine Unterbrechung der wachen Gedankenaktivität und der Traum als eine Illusion. Wenn man vom Traum erwacht, empfindet man die Welt des Wachzustandes spontan als Realität; was vorher war hat man - je nach Art des Traumes zum Glück oder leider - "nur geträumt". Vom Wachzustand aus gesehen erscheint das Traumgeschehen nicht mehr als real. Zwar gibt es die schönen Verse des chinesischen Dichters Tschuang-Tse:

"Ich, Tschuang Tse, träumte einst, ich sei ein Schmetterling, ein hin und her flatternder Schmetterling, ohne Sorge und Wunsch, meines Menschenwesens unbewusst. Plötzlich erwachte ich; und da lag ich: wieder 'ich selbst'. Nun weiß ich nicht: war ich da ein Mensch, der träumt, er sei ein Schmetterling, oder bin ich jetzt ein Schmetterling, der träumt, er sei ein Mensch? Zwischen Mensch und Schmetterling ist eine Schranke. Der Übergang wird Wandlung genannt."

Ein sehr schönes philosophisches Gedicht, in dem poetisch ausgedrückt wird, dass jeder Bewusstseinszustand seine eigene Realität aufbaut und das auch noch ein kleines Geheimnis um den Übergang von einem Bewusstseinszustand zum anderen andeutet. Nichtsdestoweniger wird beim Eintritt in das Wachbewusstsein der Traumzustand aber nicht spontan als eine gleichberechtigte Realität empfunden, sondern der zuvor erlebte Traum als unreal bewertet.

Wie sieht es nun mit den Möglichkeiten der Erkenntnis im Wachzustand aus? Diese Frage fällt in der traditionellen westlichen Philosophie unter die Rubrik Erkenntnistheorie, in der modernen naturwissenschaftlichen Weltsicht wird sie unter dem Titel Wissenschaftstheorie abgehandelt. Wenn man sich mit diesen Theorien beschäftigt, stellt man fest, dass es offenbar sehr schwierig ist, verlässliches Wissen oder sichere Erkenntnis zu erlangen, denn die meisten modernen Theoretiker sind diesbezüglich sehr skeptisch und reflektieren eher die Probleme, die sich der Erkenntnisgewinnung entgegenstellen, als dass sie Lösungen für erfolgreiche Wissensgewinnung aufzeigen.

Als ein Hauptproblem tritt hierbei die Tatsache in Erscheinung, dass bei der Wissensgewinnung stets eine Dreiheit von Erkennendem, Erkanntem und Erkenntnisprozess ins Spiel kommt. Auch wenn der Erkennende sich noch sehr sehr um "Objektivität" bemüht: schon mit der Fragestellung des Theoretikers oder der Versuchsanordnung des Forschers mischt sich der Erkennende in den Erkenntnisprozess ein, verändert das zu erkennende Objekt und prägt von vornherein den Vorgang der Wissensgewinnung.

Vom Veda aus gesehen sind diese Probleme durchaus verständlich. Hier erscheinen sie jedoch nicht als Probleme der Erkenntnis allgemein, sondern als sehr spezielles Probleme der Erkenntnis in einem ganz bestimmten Zustand des Bewusstseins: dem Wachbewusstsein.

Dabei ist es nicht der Aspekt der Wachheit, der die Erkenntnisprobleme erzeugt, sondern die ständige geistige Aktivität des Erkennenden im Zustand des Wachbewusstseins. Die Aktivität des Erkennenden bringt mit sich, dass er als Subjekt das Objekt der Erkenntnis permanent beeinflusst und damit den Erkenntnisprozess verfälscht. Außerdem bedeutet Aktivität Veränderung - und wenn ein sich ständig verändernder Faktor die Wissensgewinnung beeinflusst, wie soll dann das Ergebnis zuverlässig sein und sicheres Wissen entstehen können?

Die westliche Wissenschaft versucht dieses Problem mit der Forderung nach Objektivität zu lösen: die Störungsquelle der schwankenden menschlichen Subjektivität soll dadurch ausgeschaltet werden, dass der Erkennende, das Subjekt, sich möglichst vollständig aus dem Erkenntnisprozess heraushält. Diese Forderung ist jedoch praktisch nicht erfüllbar - eine Tatsache, die zum Kernpunkt der Wissenschaftskritik der modernen Wissenschaftstheorie geworden ist.

Aus vedischer Sicht liegt es in der durch permanente Aktivität gekennzeichneten Natur des Wachzustandes des Bewusstseins, dass es in ihm niemals einen "reinen Beobachter" geben kann, der das zu erkennende Objekt nicht beeinflusst, sondern es so wahrnimmt, wie es ist.

Im Wachzustand des Bewusstseins wird stets eine Interaktion zwischen dem Erkennenden und dem Objekt der Erkenntnis erfahren. Dies hat zur Folge, dass der Erkennende niemals das Objekt erkennt, sondern nur die Wechselwirkung seiner selbst mit dem Objekt. Auch erkennt das Bewusstsein des Erkennenden im Wachzustand niemals sich selbst, sondern immer nur sich selbst in Wechselwirkungen mit Objekten - über die Sinne wahrgenommenen physischen Objekten oder Gedanken- und Gefühls-Objekten, denn auch Gedanken und Gefühle sind Objekte für das sie wahrnehmende Bewusstsein.

Die vedische Wissenschaft löst das Problem auf andere Weise - sie stellt als verlässliche Grundlage für die Wissensgewinnung einen Zustand der Subjektivität zur Verfügung, der unveränderlich ist: einen Zustand des Erkennenden, einen Bewusstseinszustand, der in sich ohne jede Aktivität und gleichzeitig vollkommen wach ist: Transzendentales Bewusstsein, den vierten Bewusstseinszustand.

4. Transzendentales Bewusstsein (turiya chetana)

Transzendentales Bewusstsein ist der erste der im System der vedischen Wissenschaft beschriebenen "höheren Bewusstseinszustände". Transzendentales Bewusstsein wird durch eine Transformation des Wachbewusstseins mittels Methoden erlangt, die unter dem Oberbegriff "Yoga" zusammengefasst werden.

Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem, was der moderne Durchschnittsbürger sich unter Yoga vorstellt oder in der Wellness- und Esoterik-Szene als Yoga gehandelt wird und der Methodik des Yoga innerhalb der vedischen Wissenschaft. In letzterer wird Yoga als Methode definiert, das Bewusstsein vom Zustand des Wachbewusstseins in den Zustand des Transzendentalen Bewusstseins zu transformieren.

In den Yoga Sutras von Maharishi Patanjali, der klassischen "Formelsammlung" des vedischen Yoga Systems, wird gleich zu Beginn folgende Definition von Yoga gegeben:

"1. Nun zur Abhandlung über Yoga.
2. Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der angeregten Zustände des Geistes.
3. Dann ruht der Erkennende in seiner eigenen Form.
...
5. Zu anderen Zeiten nimmt er die Form der angeregten Zustände an."

Was somit in der Ausübung von Yoga geschieht, ist, dass der Wachzustand des Bewusstseins, in dem es sich in einem angeregten Zustand befindet und mit gedanklicher Aktivität befasst ist, in den Zustand des transzendentalen Bewusstseins - im Yoga-System Samadhi genannt - umgewandelt wird, in welchem das Bewusstsein wach in sich selbst ruht (Sutras 2 und 3).

Im Wachzustand ist das Bewusstsein auf Objekte ausgerichtet - auf physische Objekte in der ganz nach aussen gerichteten Sinneswahrnehmung oder auf mentale Objekte in einer verfeinerteren Wahrnehmung des Denkens und Fühlens. In diesem Zustand nimmt das Bewusstsein die Form der Objekte an, auf die es ausgerichtet ist. Da die gesamte Welt der Objekte in permanenter Veränderung begriffen ist, ist daher auch das Bewusstsein im Wachzustand in permanenter Veränderung begriffen (Sutra 5).

Im Wachzustand des Bewusstseins kennt das Bewusstsein niemals sich selbst, sondern immer nur die speziellen Zustände von sich, in denen es mit Objekten interagiert. Weder erkennt das Bewusstsein in diesem Zustand sich selbst, noch werden die Objekte als das erkannt, was sie sind - was wahrgenommen wird ist stets ein Prozess, der durch die Wechselbeziehung und wechselseitige Beeinflussung zwischen erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt gekennzeichnet ist.

In der Ausübung von Yoga wird die geistige Aktivität, in der das Bewusstsein sich auf Objekte ausrichtet, Schritt für Schritt verfeinert und reduziert, bis schließlich das Bewusstsein auch die Ausrichtung auf Objekte in Form allerfeinster Gedanken und Gefühle aufgibt und wach in sich selbst zurück bleibt. Die direkteste Yoga-Methode, diesen Zustand zu verwirklichen, ist Dhyana, d.h. Meditation. Da Körper und Geist beim Menschen eine untrennbare Einheit bilden, gibt es aber auch Yoga-Methoden, welche die Aktivität des Körpers, des Nervensystems oder des Atmens so verfeinern, dass dadurch die geistige Aktivität verfeinert und schließlich transzendiert wird. Das primäre Ziel aller Yoga Methoden ist aber nicht körperliche Fitness oder schmerzfreies Atmen, sondern - wie es Patanjalis Definition von Yoga zweiffelsfrei ausdrückt - die Erlangung des Zustandes des Bewusstseins, der Samadhi genannt wird.

Samadhi oder Transzendentales Bewusstsein ist kein halbwacher Zustand von Trance oder geistigem "Weggetretensein", sondern ein Zustand von völliger Stille des Bewusstseins, in dem es vollkommen wach in sich selbst ist und jede Form aktiver Objektbezogenheit hinter sich gelassen (transzendiert) hat. In diesem Zustand erkennt das Bewusstsein sich selbst, d.h. seine eigene Natur, in einer unmittelbaren Wahrnehmung seiner selbst, die nicht durch Objekt-Wahrnehmung überschattet ist.

Die Technik der Transzendentalen Meditation (TM) nach Maharishi Mahesh Yogi ist derzeit die verbreitetste und wissenschaftlich am besten untersuchte Methode von Dhyana, von Yoga-Meditation.

Bezeichnungen in der wissenschaftlichen- und der vedischen Literatur für den vierten Bewusstseinszustand sind:

Bezeichnung

Erläuterung

Transzendentales Bewusstsein

Alle geistige Aktivität ist überschritten (transzendiert)

Reines Bewusstsein

Kein Objekt ist im Bewusstsein, es ist sich ausschließlich seiner selbst bewusst.

Ruhevolle Wachheit

Das Bewusstsein ist in sich wach und zugleich vollkommen still

Selbst

Der unveränderliche Grundzustand des Bewusstseins

Atman

Vedischer Ausdruck für das Selbst

Purusha

"Mensch" - vedischer Ausdruck für das Selbst, den Grundzustand des menschlichen Bewusstseins

Samadhi

Begriff aus den Yoga-Sutras: Subjekt und Objekt sind vereinigt (sama)

Turiya

"Der Vierte" (nach Schlafen, Wachen und Träumen) - klassischer vedischer Begriff

Sat-Chit-Ananda

Unveränderliches (Sat) Bewusstsein (Chit), das durch unermessliche Freude (Ananda) gekennzeichnet ist

Tabelle: Bezeichnungen für den 4. Bewusstseinszustand

Die hochinteressanten wissenschaftlichen Untersuchungen an Ausübenden der Transzendentalen Meditation haben gezeigt, dass auch der vierte Bewusstseinszustand sich - wie im Fall des Wachens, Träumens und Schlafens - eindeutig durch den ihm entsprechenden physiologischen Zustand identifizieren läßt. Dies bestätigt die vedische Auffassung, daß es sich hier um einen natürlichen vierten Hauptbewusstseinszustand des Menschen handelt.

Wenn man die Bewusstseinszustände nach den Merkmalen von Ruhe und Wachheit einteilt, kann man sehen, dass transzendentales Bewusstsein das Schema der Bewusstseinszustände um das fehlende Element ergänzt: ruhevolle Wachheit.

Tabelle: Der 4. Bewusstseinszustand: Ruhe + Wachheit

Wie steht es nun um die Möglichkeiten der Erkenntnis im vierten Bewusstseinszustand? Wenn wir uns an die Problematik der Erkenntnis im Wachbewusstsein erinnern, so haben wir im transzendentalen Bewusstsein den entscheidenden Vorteil, dass in ihm der Erkennende nicht nur wach ist, sondern zugleich auch unveränderlich, das heißt ohne jede eigene Aktivität, die den Vorgang der Erkenntnis stören oder verfälschen könnte. Daher ist in diesem Zustand erstmals sichere und verlässliche Erkenntnis gegeben!

Selbsterkenntnis

Was wird nun im vierten Bewusstseinszustand erkannt? - Antwort: Das Selbst erkennt sich selbst. Reines Bewusstsein ist in sich selbst wach für sich selbst. Da nichts als das Selbst da ist, kann nichts die Selbsterkenntnis stören oder überschatten. Eine große Errungenschaft! Die ganze Welt der Unmöglichkeit von sicherer Erkenntnis im Wachbewusstsein ist verschwunden. Der Erkennende ist zu sich selbst erwacht. Erstmals gibt es Erkenntnis, die diesen Namen verdient.

Damit ist die Forderung des Orakels zu Delphi erfüllt, welches in der Wiege der modernen westlichen Wissenschaft im antiken Griechenland dem Sucher nach Erkenntnis die Ermahnung "Erkenne dich selbst!" mit auf den Weg gab, da sonst das Wissen keine verlässliche Basis haben kann.

Nun könnte man kritisch einwenden, dass es ja eine wunderbare Sache sei, dass im vierten Bewusstseinszustand der Erkennende sich in unmittelbarer Wahrnehmung selbst erkennt und damit das erkennende Bewusstsein erstmals ein Wissen über sich selbst hat, welches den Namen "Wissen" wirklich verdient - aber was nützt dies für die Erkenntnis der Welt der Objekte, wenn doch dieser Zustand des Bewusstseins dadurch definiert ist, dass in ihm kein Objekt irgendwelcher Art wahrgenommen wird?

Tatsächlich werden in Samadhi, im Zustand des Transzendentalen Bewusstseins, nicht nur keine physischen Objekte wahrgenommen, sondern selbst jede Form von Denken hat aufgehört. Sobald auch nur der zarteste Gedanke entsteht, verschwindet sofort die Selbst-Wahrnehmung des Bewusstseins und wenn das Bewusstsein zu seiner Selbst-Wahrnehmung zurückkehrt, ist keinerlei Objektbezug mehr vorhanden. Wachbewusstsein und Transzendentales Bewusstsein schließen einander aus - dies jedenfalls ist die Situation, wenn ein Mensch, der vorher nur die einander abwechselnden Zustände des Wachens, Träumens und Schlafens kannte, mit Hilfe von Yoga erstmals Samadhi erfährt - den selbstrückbezüglichen Zustand des Bewusstseins, Transzendentales Bewusstsein.

Wir werden sehen, dass die Großartigkeit der Errungenschaft des vierten Bewusstseinszustandes im Bereich der Erkenntnis und Wissenschaft erst dann in seinem vollen Wert abgeschätzt werden kann, wenn dieser stille, vollkommen selbstbezogene Zustand des Bewusstseins beginnt, als Grundlage des aktiven, auf Objekte ausgerichteten Zustandes des Wachbewusstseins zur Verfügung zu stehen. Dies geschieht allmählich im Verlauf einer Entwicklung, die schließlich zum 5. Bewusstseinszustand, dem Zustand Kosmischen Bewusstseins führt, in dem die drei relativen Zustände des Bewusstseins und der vierte Bewusstseinszustand voll integriert sind und koexistieren.

5. Kosmisches Bewusstsein (turiyatit chetana)

Kosmisches Bewusstsein wird durch die regelmäßige Abwechslung der Erfahrung des vierten Bewusstseinszustandes - vermittels der Transzendentalen Meditation (TM) oder anderer ebenso effektiver Yoga-Methoden - mit den drei relativen Bewusstseinszuständen des Wachens, Träumens und Schlafens verwirklicht.

Durch regelmäßige Meditation im Wechsel mit normaler Aktivität entwickeln Geist, Nervensystem und Körper im Laufe der Zeit die Gewohnheit, die in der Meditation erfahrene ruhevolle Wachheit mehr und mehr auch inmitten der nachfolgenden Tagesaktivität aufrechtzuerhalten. Es ist eine Erfahrung von Meditierenden, dass die während der Meditation erfahrenen Qualitäten von Stille, Wachheit, Energie, innerer Geordnetheit und Freude nicht nach Beenden der Meditation sofort verschwunden sind, sondern spontan eine Weile erhalten bleiben. Wird die Gewohnheit der regelmäßigen Meditation über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten, so intensiviert sich diese Erfahrung: zunehmend tiefere Ebenen von Stille, Wachheit usw. bleiben dann selbst inmitten von sehr dynamischer geistiger und körperlicher Aktivität bestehen, sodass man zur gleichen Zeit nach außen hin sehr aktiv ist und dennoch im Inneren im Selbst gegründet bleibt.

Dies geschieht wohlgemerkt nicht dadurch, dass man sich während der Aktivität einredet: "Ich bin innerlich ganz still" oder "Meine Natur ist reines Bewusstsein". Eine solche "Stimmungsmache" oder Selbstsuggestion würde den Geist nur spalten und schwächen, sodass man weder im Handeln erfolgreich sein noch die inneren Qualitäten des Bewusstseins aufrechterhalten könnte. Vielmehr wird durch den regelmäßigen Wechsel von Stille und Aktivität die angeborene unendliche Flexibilität des menschlichen Geistes und Nervensystems so vervollkommnet, dass schließlich auf natürliche Art und Weise die beiden Pole des Lebens - unendliche Stille im Inneren und große Dynamik im Äußeren - gleichzeitig erfahren werden. Die Perfektion dieser Fähigkeit wird Kosmisches Bewusstsein genannt - oder in der vedischen Sprache "turiyatit chetana" oder "nitya-samadhi" (nitya bedeutet ewig, dauerhaft). Dieser Vorgang braucht Zeit, weil infolge der engen Verbindung von Körper und Geist nicht nur das Bewusstsein sich ausdehnt, sondern damit zugleich auch eine Transformation des Körpers, der Physiologie vor sich geht - und das braucht Zeit. Kosmisches Bewusstsein ist keine Denkgewohnheit oder das Aufrechterhalten einer Stimmung, sondern ein sehr realer Zustand.

Vom "kosmischen Bewusstsein" spricht man erst dann, wenn ein Mensch immer - 24 Stunden am Tag - inmitten der wechselnden Zustände des Wachens und Träumens und sogar während der Nicht-Aktivität des Tiefschlafs in reinem Bewusstsein gegründet bleibt und dieser Zustand nicht mehr verloren gehen kann. Dies wird auch Selbstverwirklichung genannt - die wechselnden Erfahrungen der relativen Bewusstseinszustände finden vor dem unveränderlichen Hintergrund des Gewahrseins des Selbst statt - der unendlichen, in sich selbst wachen Stille im Inneren. Das Licht des Bewusstseins ist konstant geworden - das ist Erleuchtung.

Ein Hauptmerkmal des kosmischen Bewusstseins ist das der Unterscheidung - der Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem was nicht das Selbst ist, zwischen der unwandelbaren, unbegrenzten Realität des Bewusst-Seins und der Welt der ständigen Veränderungen, zwischen Absolutem und Relativem, Purusha und Prakriti. Das Bewusstsein des Erkennenden hat aufgehört, sich fälschlicherweise mit physischen- oder mentalen Objekten im Bereich der Welt der Veränderungen und der Aktivität zu identifizieren und hat sich als die unbegrenzte Stille des reinen Bewusstseins erkannt. Er ist nur Das. Obwohl Handeln, Wahrnehmen, Denken und Fühlen stattfinden, ist es nicht mehr sein Handeln, Wahrnehmen, Denken und Fühlen, sondern alle diese Tätigkeiten werden als integrierter Bestandteil eines Feldes universaler Aktivität (Kshetra) erfahren. Er selbst hat damit nicht das Geringste zu tun, sondern er ist nur der unbeteiligte, stille Zeuge all dessen, was geschieht, der Kenner des Feldes (Kshetragya) - mehr dazu findet sich im Kapitel 13 der Bhagavad Gita.

Diese Erfahrung des Unbeteiligtseins des Selbstes verhindert dabei in keiner Weise, dass das Handeln dynamisch und erfolgreich, das Denken lebendig und interessiert und die Gefühle warmherzig und liebevoll sind: es ist nur nicht mehr der Aspekt von "meine" Handlungen, Gefühle darin enthalten. Da die Gegenwart des Selbst als Sat-Chit-Ananda, unveränderliches Glückseligkeits-Bewusstsein, erfahren wird und der Erleuchtete somit 24 Stunden am Tag in persönlicher Erfüllung lebt, tauchen in seinem Denken und Fühlen keinerlei egoistische Bestrebungen mehr auf, die seine Wahrnehmung "verbiegen" und egozentrisch verzerren oder sein Handeln korrumpieren könnten: er lebt vollkommen im Einklang mit dem Dharma, dem Naturgesetz, mit jener kosmischen Kraft, die sämtliche Aktivitäten im Universum durchführt und auf allen Ebenen der Existenz Evolution hervorbringt.

Aus dieser Beschreibung kann man ersehen, welch hervorragende Bedingungen für die Erlangung von Wissen im Zustand kosmischen Bewusstseinszustand gegeben sind. Alle Erkenntnis findet vor dem Hintergrund reinen Bewusstseins statt und spiegelt - unverfälscht von einem begrenzten individuellen Blickwinkel - die Wirklichkeit wider. In den Veden wird dies "ritam bhara pragyan" genannt: der Zustand des Intellekts (pragya), der die Wahrheit (ritam) in sich trägt - nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

In Maharishi Patanjalis Yoga Sutras heißt es:

"ritam bhara tatra pragya"

Dies ist der Zustand des Intellekts, der nur die Wahrheit zulässt (YS 1.48).

Vor dem Hintergrund der vollkommen stillen Wachheit des Selbst-Bewusstseins werden alle Objekte, alle Prozesse im Universum als das wahrgenommen, was sie sind - nicht mehr verfälscht durch die Eigenaktivität des Bewusstseins, die im unerleuchteten Zustand des Wachbewusstseins Erkenntnis korumpiert. Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen:

Vergleichen wir einen Teich oder See mit dem Bewusstsein des Erkennenden und den Vollmond am Himmel mit dem Objekt, das sich im See spiegelt und dadurch erkannt wird.

Im Tiefschlaf ist der See des Bewusstseins ruhig, aber vollständig mit Wasserlinsen bedeckt (Das Bewusstsein ist von Dumpfheit überschattet) - der Mond spiegelt sich in ihm nicht wieder, wird nicht erkannt. Im Traumbewusstsein ist der See mit etwas weniger Wasserlinsen bedeckt, aber voller Wellen und im Wachbewusstsein weitgehend frei von Wasserlinsen aber voller Wellen, so dass sich in ihm nicht die vollendet runde Gestalt des Vollmondes widerspiegelt, sondern wechselnde Fetzen von Licht und Dunkelheit das Abbild des Mondes im See ausmachen. Im Kosmischen Bewusstsein ist der See vollkommen ruhig und klar und der Mond spiegelt sich in ihm deutlich wieder.

In diesem Zustand des Bewusstseins ist das Denken nicht mehr von einem System von Vorstellungen, nicht mehr von Konzepten über die Wirklichkeit bestimmt, die der Wahrnehmung übergestülpt werden und sie unablässig verfälschen. Ein Mensch im Zustand des Kosmischen Bewusstseins lebt immer in der Gegenwart, seine Wahrnehmung ist weder von prägenden Erlebnissen der Vergangenheit noch von Erwartungen an die Zukunft beeinflusst.

Hat ein Mensch den Zustand kosmischen Bewusstseins erlangt, so ist er für immer der Unwissenheit und dem Leiden entkommen. Dies wird auch Moksha genannt - ein Zustand ewiger Freiheit. Auf diesem sicheren Fundament kann das Bewusstsein beginnen, sich zum Zustand des Gottesbewusstseins zu erheben, um schließlich im Einheitsbewusstsein vollkommene Erleuchtung, vollkommene Erkenntnis und vollkommene Erfüllung zu finden.

In den Büchern von Pyar Troll oder Eckart Tolle und in den Protokollen von Gesprächen mit Nisargadatta Maharaj geben Menschen, die den Zustand kosmischen Bewusstseins verwirklicht haben, einen lebendigen Eindruck davon, wie die Realität in diesem ersten Zustand der Erleuchtung erlebt wird. Auch Sokrates und Buddha haben das kosmische Bewusstsein verwirklicht.

Innerhalb der vedischen Wissenschaft ist es das Sankhya-System, welches die Sicht der Wirklichkeit im fünften Bewusstseinszustand systematisch beschreibt.

6. Gottesbewusstsein (bhagavad chetana)

Im Zustand kosmischen Bewusstseins wird das Selbst, reines Bewusstsein, als unveränderliche Grundlage der wechselnden Erfahrungen des Wachens, Träumens und Schlafens aufrechterhalten. Wird dieser Zustand eine Weile gelebt und ist das Wissen darum vorhanden, dass es darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten der Entwicklung des Bewusstseins gibt (!), so beginnt in der Gegenwart des reinen Bewusstseins ein Prozess der Verfeinerung der Wahrnehmung, der schließlich zum Gottesbewusstsein führt. So wie zuvor in der Meditation zunehmend feinere Ebenen des Denkens erfahren wurden, dringt jetzt die Sinneswahrnehmung immer tiefer in die äußere Wirklichkeit ein.

Obwohl das kosmische Bewusstsein ein einheitlicher, integrierter Zustand des Bewusstseins ist, muss man feststellen, daß er durch eine Dualität, eine Zweiheit geprägt ist: das ewige, unbegrenzte Kontinuum in sich wacher Stille auf der einen Seite und das sich unablässig verändernde Feld universaler Aktivität auf der andereren Seite. Absolutes und Relatives, das Selbst und die Welt der Erscheinungen als Nicht-Selbst, Purusha und Prakriti, koexistieren zwar, sind aber durch die Kraft der Unterscheidung völlig voneinander getrennt.

Trotz der Erfüllung, die in diesem Zustand erfahren wird, bleibt ein leiser Zweifel, ob diese Trennung wirklich das letzte Wort in Bezug auf Erkenntnis und Erfüllung ist. Auf dem Weg vom kosmischen Bewusstsein zum Gottesbewusstsein dringt die Sinneswahrnehmung in immer tiefere Ebenen der relativen Wirklichkeit ein, bis schließ die allerfeinste, "himmlische" Ebene der Wirklichkeit zugleich mit dem Selbst wahrgenommen wird. Wenn dies der Fall ist, rückt eine Realität in den Mittelpunkt des Bewusstseins, die in überwältigender Totalität die unendliche Stille des absoluten, reinen Bewusstseins und die unendliche Dynamik des Relativen umfaßt. Dies wird Gottesbewusstsein genannt.

Es wird gesagt, dass es die Qualitäten des Herzens - wachsende Liebe und Hingabe (Bhakti) - sind, die in der Entwicklung vom kosmischen Bewusstsein zum Gottesbewusstsein zum Tragen kommen und mit ihrer vereinigenden Kraft das Bewusstsein über die Dualität des kosmischen Bewusstseins hinausführen. In seinem Buch "Die Wissenschaft vom Sein und die Kunst des Lebens" beschreibt Maharishi Mahesh Yogi dies mit den Worten:

"Ein Mensch mit kosmischem Bewusstsein hat ein unbegrenztes, grenzenloses Maß an Liebe, das überallhin und zu allen Dingen überfließt. Wenn sich diese überfließende, grenzenlose, kosmische, universelle Liebe in Hingabe an Gott konzentriert, dann erreicht dieser konzentrierte Zustand der universellen Liebe einen solchen Grad, dass er dem Leben die höchste Erfüllung zu geben vermag.

Weit konzentrierter ist dieser Zustand des kosmischen Bewusstseins in der Hingabe an Gott, als jede vorstellbare Liebe in irgend einem Existenzbereich. Diesen Zustand konzentrierter, universeller Liebe zu leben, bedeutet die höchste Erfüllung des Lebens. Es ist ein grenzenloses Strömen von Liebe bei allem, was man sieht, bei allem, was man hört, was man riecht oder schmeckt, bei allem, was man berührt. Das gesamte Leben in seiner mannigfaltigen Verschiedenheit ist nichts als die Fülle der Liebe, der Seligkeit und Erfüllung, ewig und absolut.

Die Fähigkeit zur Erfüllung wird einem Individuum gegeben, wenn es durch ständige Ausübung der Transzendentalen Meditation kosmisches Bewusstsein erlangt und sich dann in Hingabe zu Gottes Füßen neigt. Wenn nicht der Zustand des kosmischen Bewusstseins erreicht ist, dann ist nicht einmal andeutungsweise der wirkliche Sinn des Wortes Hingabe erfasst. Ein Mensch, dessen Herz nicht von universeller Liebe überfließt, gewinnt nicht viel aus der Hingabe, denn wirkliche Hingabe führt zur Selbstaufgabe und das bedeutet, dass man seine eigene Identität verliert und die des Geliebten gewinnt. Der Pfad der Liebe, der Pfad der Hingabe, wird mit Erfolg nur von kosmisch bewussten Seelen beschritten.

Ein Mensch, der sich nicht zu kosmischem Bewusstsein erhoben hat, der in seine begrenzte Individualität gehüllt ist und nur in der Identität seines eigenen Ich wach zu sein vermag, kann keine klare Vorstellung von Liebe oder Hingabe haben. Obwohl Menschen auf allen Bewusstseinsebenen Liebe im Herzen und Hingabe zu Gott fühlen und praktizieren, ist das Glück der Hingabe im Zustand kosmischen Bewusstseins jenseits aller Vorstellung.

Hingabe und Liebe gehören in ihrem eigentlichen Wert nur zum Leben im kosmischen Bewusstsein, vorher haben sie wenig Bedeutung oder Wert. Die Hingabe eines nicht verwirklichten Menschen ist ein bloßer Versuch, ein Bestreben, ein Bemühen. Im besten Fall führt sie zu der Vorstellung von größeren und intensiveren Formen der Liebe. Die Liebe und Hingabe eines kosmisch entwickelten Menschen jedoch haben einen bedeutsamen und wirklichen Wert, der die Ewigkeit umfasst und diese Liebe und Hingabe binden die Ewigkeit in eine einzige, universale Individualität. So groß ist die Macht der Liebe, so gewaltig ist die Macht der Hingabe.

Unterhalb der Ebene kosmischen Bewusstseins sind Liebe und Hingabe begrenzt und unbedeutend. Deshalb seien alle diejenigen, die den Pfad der Hingabe beschreiten wollen, dazu eingeladen, die Praxis der Transzendentalen Meditation zu beginnen, die das Individuum befähigt, sich zum Zustand des kosmischen Bewusstseins zu erheben, ohne Kampf oder Anstrengung, ohne Buße oder Askese."

Wenn schließlich das Gottesbewusstsein verwirklicht ist, sagt Maharishi weiter, "dann ist die Selbstbezogenheit des Menschen das selbstbezogene Ziel Gottes, der individuelle Menschengeist der kosmische Geist Gottes, der individuelle Atem des Menschen der kosmische Atem Gottes, die individuelle Sprache des Menschen ein Ausdruck der kosmischen Stille.

Der Herr spricht durch ihn; allgegenwärtiges, kosmisches Leben gewinnt in seinen Handlungen Ausdruck; das Allwissende wird in den Grenzen seiner individuellen Persönlichkeit offenbar; die kosmische Intelligenz findet in seinem individuellen Geist Ausdruck ... Er schreitet auf Erden und doch im Geschick des Himmels. Er sieht, doch was er sieht, ist der Glanz Gottes; er hört, doch was er hört, ist die Stille; er spricht und spricht das Wort Gottes; er spricht und spricht Gottes Absicht aus; er spricht und zeichnet damit den Zweck des kosmischen Lebens; er spricht und verleiht den kosmischen Zielen Ausdruck; er spricht und doch drücken seine Worte ewiges Sein aus. Der Mensch ist der lebende Ausdruck der allgegenwärtigen, allwissenden kosmischen Existenz ... In der Ausstrahlung seines relativen Lebens findet das Absolute einen Ausdruck seines Seins. Engel und Götter freuen sich seiner Existenz auf Erden; Erde und Himmel erfreuen sich der Seligkeit des ewigen Seins, das da im Bild des Menschen verkörpert ist. So geschieht es, wenn der Atem des Individuums zum Impuls des ewigen Lebens wird, dass die Individualität universale Existenz atmet. Dann ist die Erfüllung des Lebens gewonnen."

Unter den berühmten Persönlichkeiten, die Gottesbewusstsein direkt verwirklicht haben, sind Jakob Böhme und andere Mystiker sowie Shri Ramakrishna und Jesus von Nazareth.

Das Gottesbewusstsein findet schließlich seine Erfüllung im Einheitsbewusstsein.

7. Einheitsbewusstsein (brahmi chetana)

Genau betrachtet, ist auch im Gottesbewusstsein noch ein Hauch von Dualität vorhanden: Die allumfassende Realität des Göttlichen einerseits und andererseits das Bewusstsein des Menschen, der in Liebe und Hingabe auf diese Wirklichkeit ausgerichtet ist. Obwohl durch die Kraft der Liebe und Hingabe in überwältigendem Maße die Verbindung und die Einheit von beiden im Mittelpunkt des Bewusstseins stehen, wird doch zugleich durch sie ein Hauch von Zweiheit aufrechterhalten, um überhaupt eine Beziehung zwischen beiden zu ermöglichen.

Hingabe an Gott bedeutet, dass der, der sich hingibt, sich selbst immer mehr vergisst und sein Bewusstsein mehr und mehr nur von Gott eingenommen wird. Die Haltung der Hingabe kann nur solange fortbestehen, wie der Sich-Hingebende noch einen Teil von sich zurückhält und damit die Hingabe noch nicht vollständig ist.

In der Entwicklung vom Gottesbewusstsein zum Einheitsbewusstsein findet die Hingabe und Liebe Erfüllung und auch dieser letzte Rest von Dualität wird überwunden - was bleibt, ist die eine, einzige, unteilbare, allesumfassende WIRKLICHKEIT des Lebens.

Die Wahrnehmung transzendiert auch die feinste relative Ebene der Wirklichkeit und findet im Relativen dieselbe Fülle wieder, die im Kosmischen Bewusstsein bereits als das Selbst verwirklicht wurde. Die Realität des Absoluten ist dieselbe geblieben. Aber im kosmischen Bewusstsein wurde sie "nur" als die innere Realität des eigenen Bewusstseins, als Atman wahrgenommen, während sie nun im Einheitsbewusstsein in allem, als Brahman, wahrgenommen wird.

Der Übergang vom Gottesbewusstsein zum vollendeten Gottesbewusstsein im Bewusstsein der Einheit kann, wie einige Erfahrungsberichte zeigen, mit einer Krise verbunden sein, weil die ganze Welt der überwältigend-glückseligen Gefühle von Liebe und Hingabe an Gott verschwindet und eine zunächst seltsam abstrakte Realität den gesamten Raum des Bewusstseins erfüllt. Das Bewusstsein kann dadurch den Eindruck bekommen, alles verloren zu haben. An diesem kritischen Punkt der Bewusstseinsentwicklung, so sagt die vedische Tradition, ist es sehr hilfreich, einen Meister zu haben, der selbst bereits längere Zeit im Einheitsbewusstsein lebt und dem Schüler bestätigt: "DAS ist ES" - erst dann erwacht die bereits etablierte Realität von Brahman zu ihrer alles erfüllenden Glückseligkeit - Brahmanandam, die selbst die Seligkeit des Gottesbewusstseins bei weitem übertrifft.

Der Geschmack der vollkommenen Erfüllung erwacht im Schüler durch die Worte des Meisters, der das voll erwachte Brahman repräsentiert. Dies sind die sogenannten Mahavakyas, die "großen Worte" der Upanishaden wie: "Ich bin Brahman" oder "Ich bin DAS, du bist DAS, all dies ist DAS".

Innerhalb der vedischen Wissenschaft ist es das Vedanta-System, das die Sicht der Wirklichkeit im Einheitsbewusstsein in den Brahma-Sutras von Maharishi Veda Vyasa systematisch beschreibt. Der am höchsten bewertete Kommentar zu den Brahma-Sutras stammt von Adi Shankara.

Der Erleuchtete Dattatreya beschreibt in der Avadhuta-Gita die natürliche Sichtweise eines Menschen im Einheitsbewusstsein mit den Worten:

"Es gibt keine Verbindung noch Trennung für dich oder mich. Du bist nicht du. Ich bin nicht ich. Die Welt ist nicht die Welt. Tatsächlich ist alles nichts als Selbst."

Die Upanishaden sprechen von Purnamadah Purnamidam - Dieses ist die Fülle (Purna) und Jenes ist die Fülle:

"Dies (das Absolute) ist die Fülle und Jenes (die Welt) ist die Fülle. Aus dieser Fülle geht jene Fülle hervor. Wenn jene Fülle aus dieser Fülle heraustritt, bleibt immer noch die Fülle zurück."

In der Einheit von Erkennendem, Erkanntem und Prozess der Erkenntnis ist Erkenntnis total geworden. Dies ist die Erfüllung des Wissens und des Wissenden zugleich. Einheitsbewusstsein ist der Zustand der Erleuchtung.

In der Chandogya-Upanishad spricht der Kriegsgott Sanatkumara zu dem Rishi Narada:

"Wenn einer kein andres sieht, kein andres hört, kein andres erkennt: das ist die Unbegrenztheit. Wenn er ein andres sieht, hört, erkennt, das ist das Begrenzte. Die Unbegrenztheit ist das Unsterbliche, das Beschränkte ist sterblich."

"Aber worauf gründet denn sie sich, o Herr?"

"Sie gründet sich auf ihre eigene Größe, oder, wenn man will, nicht auf die Größe. Denn unter Größe versteht man in dieser Welt viel Kühe und Rosse, Elefanten und Gold, Sklaven und Weiber, Feld und Land. Aber das meine ich nicht, meine ich nicht", so sprach er, "denn da gründet sich immer eines auf das andere.

Sie aber (die Unbegrenztheit) ist unten und ist oben, im Westen und im Osten, im Süden und im Norden - sie ist die ganze Welt.

Daraus folgt für das Ich-Bewusstsein: Ich bin unten und oben, im Westen und im Osten, im Süden und im Norden - ich bin diese ganze Welt.

Daraus folgt für das Selbst: das Selbst ist unten und ist oben, im Westen und im Osten, im Süden und im Norden - das Selbst ist diese ganze Welt.

Wer also sieht und erkennt, am Selbst sich freuend, mit ihm spielend, mit ihm sich verbindend und ergötzend, der ist selbstbestimmend und ihm ist in allen Welten Freiheit. Die es aber anders als so ansehen, die sind fremdbestimmt, genießen vergängliche Freuden und ihnen ist in allen Welten Unfreiheit.

Für den, fürwahr, welcher also sieht und denkt und erkennt, stammt aus seinem Selbst das Leben, aus seinem Selbst die Hoffnung, aus seinem Selbst die Erinnerung, aus seinem Selbst der Weltraum, aus seinem Selbst die Glut, aus seinem Selbst das Wasser, aus seinem Selbst Schöpfung und Vernichtung, aus seinem Selbst die Nahrung, aus seinem Selbst die Kraft, aus seinem Selbst die Erkenntnis, aus seinem Selbst die Meditation, aus seinem Selbst das Denken, aus seinem Selbst der Entschluss, aus seinem Selbst der Geist, aus seinem Selbst die Rede, aus seinem Selbst die Hymnen und Mantras des Veda, aus seinem Selbst die heiligen Werke, aus seinem Selbst diese ganze Welt."

Beispiele für Menschen, die Einheitsbewusstsein verwirklicht haben, sind: Meister Eckehart, Laotse, Adi Shankara, Parmenides, Suzan Segal, Ramana Maharshi, Ramakrishna, Vivekananda, Swami Brahmananda Saraswati, Maharishi Mahesh Yogi.