Meine Jyotish-Entwicklung

Erstellt: Juni 2018

Hier will ich erzählen, wie mein persönlicher Jyotish-Entwicklungsweg bisher verlaufen ist. Dies ist natürlich ein sehr subjektiver Bericht, der aber hoffentlich auch ein paar nützliche Hinweise für den einen oder anderen enthält, der Jyotish erlernen möchte. Inbegriffen ist auch eine kurze Abhandlung über die Unterschiede zwischen westlicher und vedischer Astrologie.

Eine Fortsetzung dieses Berichts meines Jyotish-Werdegangs habe ich im Juli 2023 in einem Youtube-Video mit dem Titel "Vedisches Lernen, Jyotish und Parashara" veröffentlicht.

Transzendentale Meditation (TM)

Nur etwa zwei Monate, nachdem ich das Elternhaus verlassen und nun meine eigene Wohnung hatte und mein eigenes Leben zu führen begann, habe ich 1971 in Frankfurt am Main die Transzendentale Meditation (TM) nach Maharishi Mahesh Yogi erlernt – die beste Entscheidung, die ich jemals im Leben getroffen habe.

Auf diese Spur gekommen war ich durch Peter Brügges mehrseitigen Erfahrungsbericht über die TM im Spiegel, der die lustige Überschrift "In den Ohren ein Flattern und Rauschen" trug.

Durch die regelmäßige Ausübung der TM ist über die Jahre eine Dynamik der Bewusstseinsentwicklung in Gang gekommen, die auch für meine Bemühungen in Sachen Jyotish sehr wichtig war und ist.

Fundierte Informationen über die Transzendentale Meditation findet man hier.

Philosophie-Studium

Ab etwa 1972 habe ich in Frankfurt mehrere Jahre Philosophie studiert. Das Studium an der Uni war zwar recht "kopflastig", aber durch die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Perspektiven, aus denen heraus die verschiedenen Philosophen die Welt betrachten, hat sich eine verbesserte geistige Flexibilität entwickelt und die Fähigkeit, unterschiedliche Standpunkte einzunehmen und zu verstehen. Zudem war das Philosophie-Studium sicherlich auch eine gewisse Schulung des Intellekts.

Im Verlauf meines Lebens habe ich auch die Werke des griechischen Philosophen Platon (428 - 348 v. Chr.), Schüler des Sokrates, kennengelernt. Platon ist reines Wissen, Veda pur. Interessanterweise ist es das Wissen des alten Indien (Veda) gewesen, das es mir ermöglicht hat, Platon zu verstehen und in seinem vollen Wert zu schätzen. Nicht gar zu tiefgründig, aber informativ ist der deutsche Wikipedia-Artikel über Platon.

Westliche Astrologie

Irgendwann Mitte der 70er-Jahre bin ich auf meiner Suche danach, mich selbst, andere Menschen und die Welt zu verstehen, auf die westliche Astrologie gestoßen. Herbert A. Löhleins "Großes Handbuch der Astrologie" war das erste Astrologie-Buch, das mir damals begegnete.

Mehrere Jahre lang habe ich mich intensiv mit der westlichen Astrologie beschäftigt, später dann auch im Frankfurter Raum Seminare dazu und astrologische Beratungen im erweiterten Freundeskreis gegeben.

Veda

Parallel dazu habe ich mich auch immer mehr in das vedische Wissen vertieft, hauptsächlich durch die Bücher von Maharishi Mahesh Yogi ("Die Wissenschaft vom Sein" und Maharishis "Kommentar zur Bhagavad Gita") und Seminare, die von der TM-Bewegung angeboten wurden. Aber auch von Ramana Maharishi, Ramakrishna, Nisargadatta, Yogananda, Ashtavakra, Anandamayi Ma, Shankara und natürlich Parashara habe ich viel gelernt – siehe auch die Literaturliste hier auf meiner Seite.

Erste Begegnung mit Jyotish

Ende der 70er Jahre etwa habe ich angefangen, mich mit der vedischen Astrologie zu beschäftigen.

1981 stieß ich in einer Ausgabe der Zeitschrift "Esotera" auf einen Artikel über Jyotish mit dem Titel "Die Weisheit des Bären-Astrologen". Hier wurde eine spezielle Jyotish-Schulrichtung namens "Krishnamurti Paddhati" (KP-Astrology) vorgestellt, entwickelt von einem indischen Jyotishi namens Krishnamurti, auch Professor Marthand genannt. Es wurde auf einen Wochenendkurs in Köln verwiesen, auf der man diese Methode erlernen konnte, die, was mich damals sehr beeindruckte, eine exakte Vorhersage von Ereignissen im Leben ermöglichen soll. Diesen Kurs habe ich dann besucht.

Der Kurs war nicht gerade billig. Der Kursleiter, Gerhard Zinn hieß er, war ein recht weltmännisch auftretender Herr mit Charme, guter Rhetorik und ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Die Jyotish-Grundprinzipien hat er auch systematisch und pädagogisch gut vermittelt. Er verstand etwas von Astrologie und stellte sein Thema mit Enthusiasmus vor.

In dem Kurs waren auch Teilnehmer, die sich zuvor kaum mit Jyotish oder Astrologie beschäftigt hatten. Der Kursleiter fing daher "bei Adam und Eva" mit den Grundlagen von Jyotish an. Das hat er durchaus gut und unterhaltsam gemacht, aber mir ging es um die Techniken der exakten Vorhersage, die als Besonderheit dieses System angekündigt worden waren. Ich erinnere mich, dass ich die anderen Kursteilnehmer ziemlich genervt habe, weil ich den Herrn Zinn dazu bringen wollte, schneller auf den Punkt zu kommen. Sie haben es mir aber anscheinend nicht übel genommen und mir später ein paar wertvolle Kursunterlagen zukommen lassen.

War schon ein interessanter Mensch, der Herr Zinn. Da er aufgrund seiner astrologischen Vorhersage-Fähigkeiten das nahe Ende der Welt voraussagen konnte, verkaufte er zu dieser Zeit Grundstücke in Australien, da man nur dort überleben könne. Geschäftstüchtig. Leider hatte ich nicht das Geld, um ein solches Grundstück zu erwerben, habe aber auch in Deutschland den Weltuntergang überlebt. Glück gehabt.

Die Genauigkeit der Vorhersage sollte auf dem Einbeziehen von winzigen Teilabschnitten des Tierkreises, genauer gesagt, des von den 27 Nakshatras (Mondhäusern) gebildeten 360°-Kreises, beruhen. Die Unterabschnitte der Nakshatras werden sonst eher indirekt im Vimshottari-Dasha-System verwendet, hier wurde die Stellung der Planeten und Häuserspitzen in diesen Unterabschnitten ausgewertet.

Ein durchaus interessantes und intelligentes System. Sobald es um den entscheidenden Punkt der Vorhersage ging, nämlich diejenigen "Signifikatoren" herauszufiltern, die für ein Lebensereignis entscheidend sein sollen, wurde der Referent seltsam vage, jedenfalls konnte ich die Auswahlprinzipien dafür bei den Beispielen, die er vorführte, nie richtig nachvollziehen. War ich zu dumm dafür? Glaube ich eher nicht ...

Das System gibt es noch heute. Jemand, den ich in solchen Fragen als Autorität ansehe, soll später gesagt haben, dass dieses spezielle Jyotish-System nicht wirklich funktioniert. Jedenfalls habe ich es letztlich nicht weiter verfolgt, weil die entscheidenden Kriterien, welche, dem Anspruch nach, die Perfektion dieses Systems ausmachen sollten, für mich nicht nachvollziehbar waren.

Der Kursleiter, der auch den Esotera-Artikel verfasst hatte, meinte mit dem in der Überschrift erwähnten "Bären-Astrologen" übrigens den bekannten "klassischen" Astrologen Varaha Mihira. Das Sanskrit-Wort Varaha bezeichnet ein Tier, das im englischen "boar" genannt wird. Ein boar ist aber kein Bär, auch wenn es so klingt, sondern ein Eber. War also eigentlich ein "Wildsau-Astrologe" gemeint. Der Varaha-Mihira, so hieß es in dem Esotera-Artikel, wurde so genannt, weil er einem Königssohn den Tod durch besagtes Tier zu einem genauen Zeitpunkt vorhergesagt hatte und dieser dann ironischerweise trotz oder infolge größter Sicherheitsvorkehrungen von einem herabstürzenden Standbild eben dieses Tieres erschlagen wurde.

Von westlicher Astrologie zu Jyotish

Auch wenn mein erster Kurs über Jyotish kein voller Erfolg war: mein Interesse an Jyotish wurde dadurch bestärkt. In den nächsten Monaten war ich damit beschäftigt, mich endgültig von der westlichen Astrologie auf Jyotish umzustellen.

Das westliche Astrologie-System fand ich schon sehr intelligent und faszinierend. Auch das kreisförmige Chart mit den eingezeichneten Tierkreis- und Planetensymbolen und den verschiedenfarbig markierten Aspekten hatte einen ästhetischen Charme. Aber ganz zufrieden war ich damit irgendwie doch nicht gewesen.

Wenn man Jyotish erlernt, hat das Vertrautsein mit der westlichen Astrologie Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass man die Grundeigenschaften der Tierkreiszeichen, Planeten, Häuser und Aspekte bereits kennt und auch eine Vorstellung von Transiten hat. Der Nachteil ist, dass man diejenigen Interpretationsprinzipien der westlichen Astrologie loswerden muss, die nicht zu Jyotish passen und das eine gewisse Entschlossenheit, Disziplin und Überwindung erfordert. Das ist mir recht gut gelungen, weil ich den Umstieg wirklich wollte, aber es hat dennoch einige Zeit gedauert.

Hier einige Gedanken zu diesem Umstieg aus meiner heutigen Sicht.

Das Chart

Jyotish verwendet das nordindische Rauten-Chart oder das südindische Rechteck-Chart. Ich war zu Anfang tatsächlich einmal kurz in Versuchung, Jyotish zu betreiben, aber weiterhin das ästhetisch ansprechende westliche Kreischart mit seinen Symbolen für Planeten und Tierkreiszeichen zu verwenden. Habe dann aber eingesehen, dass die Jyotish-Form der Charts ihre Vorzüge hat. Keine so dramatische Sache, aber ein Signal für die Bereitschaft, die Umstellung wirklich zu vollziehen.

Der Ayanamsa

Ayanamsa ist die Differenz zwischen dem tropischen Tierkreis der westlichen Astrologie und dem siderischen Jyotish-Tierkreis. Man muss von den westlichen Positionen der Planeten und des Aszendenten ca. 25°, das ist etwa 5/6 eines Tierkreiszeichens, abziehen, um die Jyotish-Positionen zu erhalten. In den meisten Fällen landet man dabei also im vorherigen Tierkreiszeichen, aus Sonne in Jungfrau wird Sonne in Löwe, aus Aszendent Schütze Aszendent Skorpion usw. Rechnerisch nicht schwierig, aber man hatte sich daran gewöhnt, sich selbst und andere als zugehörig zu bestimmten Tierkreiszeichen und ihren Qualitäten zu sehen. Zunächst sehr ungewohnt, davon zu lassen.

Mond-Astrologie

An der weit verbreiteten Meinung, dass die indische Astrologie eine Mond-Astrologie sei, die westliche Astrologie eine Sonnen-Astrologie, ist tatsächlich etwas dran. Der Mond als Repräsentant des persönlichen Bewusstseins des Horoskopeigners steht im Jyotish im Zentrum der Betrachtung. Die Sonne ist als Karaka des 1. Hauses ein bedeutsamer Faktor, aber nicht so wichtig wie der Mond.

Da nur die Zeitschriften-Astrologie und ihre "Vorhersagen" zu "Liebesleben und Karriere des Wassermanns in der 18. Kalenderwoche" ausschließlich auf den Stand der Sonne fixiert ist und ein anspruchsvoller westlicher Astrologie daran gewöhnt ist, eine Vielzahl von Planetenfaktoren, Häuserspitzen, Aspekte usw. mit einzubeziehen, ist die Umstellung auf eine stärkere Gewichtung des Mondes kein großes Problem.

Trans-Saturnier – ein klares Nein!

Manche Jyotish-Aspiranten spüren die Versuchung, die trans-saturnischen Planeten Uranus, Neptun und Pluto in Jyotish zu berücksichtigen, um Jyotish zu erweitern und aufzuwerten. Schließlich hatten die vedischen Rishis ja noch nicht die super-fortschrittlichen astronomischen Teleskope zur Verfügung, um diese Planeten zu entdecken.

Ich will und werde hier keine längere Abhandlung zu diesem Thema schreiben – mit etwas Googeln kann man leicht die unterschiedlichen Argumente dazu kennen lernen.

Meine klare Position dazu ist: Lassen Sie die Transsaturnier weg. Ihre Einbeziehung scheint vordergründig im Horoskop das eine oder andere zu erklären. In Wirklichkeit verbauen Sie sich dabei aber Ihre Fähigkeit, tiefer in das Jyotish-Wissen einzudringen, um Zusammenhänge zu verstehen, die auf den ersten Blick nicht gleich sichtbar sind. Die Überlagerung des Wissens mit einer Schicht von Unwissenheit wäre alles, was Sie damit "gewinnen" würden. Und: die alten Rishis konnten alles entdecken und taten dies auch.

Man kann auch die Präzision der englischen Sprache nicht aufwerten, indem man in englische Texte die "fehlenden" Umlaute ä, ü, ö und ß einbaut – das nur als Analogie.

Aspekte

Hier bestehen deutliche Unterschiede. Im Jyotish gibt es nicht wie in der westlichen Astrologie Spannungs-Aspekte wie Quadrate und Oppositionen und Harmonie-Aspekte wie Trigone und Sextile. Der Aspekt eines Planeten in Jyotish wird ausschließlich danach bewertet, was die Natur, Stärke, Häuserstellung usw. des aspektierenden Planeten ist und wie willkommen oder unwillkommen sein Einfluss in dem Haus ist, das er aspektiert.

Prinzipiell werden Aspekte von Planeten im Jyotish auch nicht gradgenau bewertet, sondern ein Planet aspektiert stets ein ganzes Haus mit zugehörigem Tierkreiszeichen und allen Planeten, die sich im aspektierten Haus befinden.

Auch hier meine klare Position: Quadrate, Trigone usw. haben in Jyotish nichts zu suchen.

Konsequenz

Für mich war meine Fähigkeit hilfreich, die Umstellung von der westlichen Astrologie zu Jyotish konsequent durchzuführen.

Ich bin in keiner Weise ein Anhänger der Auffassung, dass man etwas damit gewinnt, dass man Elemente beider Astrologie-Systeme miteinander kombiniert oder ergänzend beide Systeme verwendet. Wenn man halb in Jyotish einsteigt erlangt man Jyotish-Halbwissen.

Ich will hier keine Polemik betreiben und die Überlegenheit von Jyotish über die westliche Astrologie propagieren. Die Tatsache, dass ich von der westlichen Astrologie zu Jyotish gewechselt bin, zeigt meine Position aber deutlich genug.

Nach wie vor sehe ich die westliche Astrologie als ein intelligentes, faszinierendes Gedankenmodell an, das auch eine große intellektuelle und ästhetische Anziehungskraft hat. Besonders die drei Bände "Astrologische Menschenkunde" von Thomas Ring haben mir in ihrer systematischen und kreativen Art sehr gefallen, ebenso der "Lehrgang der Astrologie" von Ernst von Xylander, um nur zwei Quellen zu nennen.

In Jyotish sehe ich allerdings den weitaus ausgeprägteren Realitätsbezug.

Der Jyotish Lernprozess

Der Parashara-Schock

Schon recht früh bin ich dem klassischsten aller klassischen Jyotish-Werke begegnet: der "Brihat Parashara Hora Shastra" von Maharishi Parashara. Es war die englische, kommentierte Ausgabe in zwei Bänden.

Das Buch hat mich fasziniert und zugleich schockiert und entmutigt. Es wird dort eine solche Fülle von Faktoren beschrieben, die in der Interpretation eines Jyotish-Horoskops berücksichtigt werden und eine solche Vielzahl von Techniken, dass ich erstmal nicht mehr daran glaubte, dass ich es in Jyotish jemals zu etwas bringen könnte.

Tatsächlich gilt für alle klassischen Werke der vedischen Literatur, ob es nun um Jyotish, Ayur-Veda (Gesundheitskunde), Sthapatya-Veda (Architektur) oder Dhanur-Veda (Kriegskunst) geht, dass sie nicht dazu gedacht sind, dass man durch ihre Lektüre das entsprechende Wissensgebiet erlernt; sie sind vielmehr Erinnerungshilfen für diejenigen, die bereits unter der Anleitung eines kundigen Lehrers das Wissen erlernt haben! Die vedische Wissensvermittlung ist hauptsächlich mündlich und vollzieht sich im direkten Austausch zwischen Lehrer und Schüler. Das ist allerdings in der modernen Vermittlung von Expertenwissen genauso: niemand wird ein qualifizierter Quantenphysiker, indem er Bücher über Quantenphysik liest.

Der weite Weg in kleinen Schritten

Nachdem ich den Schock etwas überwunden hatte, fasste ich einen Entschluss: Ich wollte den weiten Weg des Erlernens von Jyotish auf meine eigene Weise gehen und in kleinen Schritten.

In der Praxis sollte das dann so aussehen: ich verzichtete darauf, die Vielzahl der Spezialtechniken mit einzubeziehen und konzentrierte mich auf das allergrundlegendste:

Ausschließlich das Rashi-Chart

Die Planeten

Die Stellung der Planeten in den Tierkreiszeichen

Die Planeten in den Häusern.

Wenn ich Horoskope untersuchte, schaute ich nur danach und ließ Dinge wie Varga-Charts, Aspekte, Dashas und Transite, Upagrahas usw. gänzlich beiseite. Dabei nahm ich in Kauf, dass ich erst einmal einige möglicherweise wichtige Details nicht erkennen würde.

Der erste Blick durch das Fernrohr

Es wäre wie beim ersten Blick durch ein Fernrohr, das nicht feinjustiert ist: man sieht etwas – "Aha, es ist ein Baum, also schon einmal kein Haus, kein Elefant, kein Auto usw. Hm, es ist ein großer Baum, der für sich allein steht. Das Laub ist grün. Die genaue Form der Blätter ist nicht zu erkennen. Die verschwommenen gelbroten Flecken könnten Früchte sein – oder eher Blüten? Der Baum schwankt, es scheint starker Wind zu sein ..." Man erkennt einiges, anderes bleibt vorerst unklar – das wird akzeptiert..

Gleichzeitig verwandte ich viel Zeit und Aufmerksamkeit darauf, systematisch und "in die Tiefe gehend" zu verstehen:

Was ist ein Planet?

Was ist ein Tierkreiszeichen?

Was ist ein Haus?

Was bedeutet es, dass ein Planet in einem Tierkreiszeichen steht?

Was bedeutet es, dass ein Planet in einem Haus steht?

Was hat es zu bedeuten, dass ein bestimmter Planet in einem bestimmten Tierkreiszeichen und Haus steht.

Welches sind die grundlegenden Qualitäten von Mars, von Merkur, von Wassermann, vom 5. Haus usw., aus denen sich weitere Qualitäten ableiten lassen?

Sehr früh war mir klar, dass ich mich nicht damit zufrieden geben möchte, Texte aus astrologischen Büchern zu "Mars in Wassermann", "Venus im 9. Haus" usw. auswendig zu lernen und daraus eine Interpretation zu basteln. Ich wollte lernen, wie ich selbst aus der systematischen Kombination der grundlegendsten Eigenschaften der Planeten, Tierkreiszeichen und Häuser eine Vielzahl von Schlussfolgerungen ziehen und sinnvolle Aussagen hervorbringen kann.

Ich wollte die Prinzipien verstehen lernen, nach denen die Aussagen der traditionellen Texte zu "Aszendent Skorpion" oder "Saturn im 4. Haus" zustande kommen und nur diejenigen in die Interpretation mit einbeziehen, die ich selbst nachvollziehen kann.

Dies bedeutet nicht, Aussagen von vertrauenswürdigen Jyotish-Experten wie Parashara in Zweifel zu ziehen, wenn ich sie nicht auf Anhieb verstehe. Es beinhaltet im Gegenteil oft, die eigene geistige Haltung in Frage zu stellen, die zum Unverständnis führte. Die Technik ist: "Ich verstehe nicht, wie er dazu kommt, das zu sagen. Aber nur mal angenommen, er hat recht. Welchen Weg gibt es, zu verstehen, dass das stimmt?" Dann beginnt ein Lernprozess.

Viele entscheidende Fortschritte, die ich in meinem Verständnis von Jyotish im Laufe der Zeit machte, entstanden nicht daraus, dass ich die eine oder andere Spezialtechnik zusätzlich verwendete, sondern aus einem vertieften Verständnis der allergrundlegendsten Dinge wie "Was bedeutet es, dass ein Planet in einem Tierkreiszeichen steht" usw.

Das Fernrohr feinjustieren, um mehr Details zu erkennen

Erst nachdem ich in Bezug auf die oben genannten Interpretationsprinzipien ein grundlegendes Verständnis und eine gewisse Sicherheit erlangt hatte, bezog ich im Laufe der Zeit Schritt für Schritt weitere Faktoren mit ein, wiederum zunächst als Fragestellung:

Was bedeutet es, dass ein Planet Herr eines Tierkreiszeichens ist und damit Herr eines Hauses wird?

Was bedeutet es, dass ein Planet der Karaka oder Organisator eines Hauses ist?

Wie ist das Zusammenwirken von Herr und Karaka eines Hauses zu verstehen?

In welchem Verhältnis stehen der Herr und der Karaka eines Hauses zum Bewohner eines Hauses?

Was genau bedeutet es, wenn mehrere Planeten in einem Zeichen und Haus zusammen stehen?

Welche Konsequenzen entstehen aus der Freundschaft/Feindschaft usw. der Planeten zueinander?

Was genau bewirkt der Aspekt eines Planeten auf ein Zeichen/Haus/andere Planeten?

Wie funktioniert das Dasha-System der Aktivierung von Planeten in einem bestimmten Zeitraum?

Was beinhaltet das Chandra-Chart, was das Navamsha-Chart, was das Bhava-Chart und wie ist ihre Beziehung zum Rashi-Chart?

In welcher Beziehung stehen die Hauptphasen der Dashas zu den Unterphasen der Antardashas und Pratyantardashas?

Wie wirken Transite und was ist ihre Beziehung zu den Dashas?

Was sind die 27 Nakshatras und wie ist ihre Beziehung zu den anderen Faktoren im Horoskop?

Die zeitliche Entwicklung des Rashi-Charts über Dashas und Transite habe ich lange Zeit gänzlich zurückgestellt. Ich empfehle auch jedem Jyotish-Neuling, sich erst einmal lange Zeit auf die Vertiefung des Verständnisses des Rashi-Charts zu beschränken, das auf dem Aszendenten (Lagna) beruht.

Lebendiges Wissen

Natürlich habe über die Jahre auch eine Reihe Bücher über Jyotish gelesen. Aber im Zentrum des Lernprozesses stand immer die innere Verarbeitung und Vertiefung des Verständnisses der Jyotish-Prinzipien.

Irgendwann im Verlaufe der langjährigen Entwicklung des Jyotish-Wissens bekam ich das Gefühl, als ob Jyotish gleichsam in mir "zum Leben erwacht" wäre und von sich aus so etwas wie eine eigene Dynamik zu wachsen und sich zu entfalten entwickelt hätte. Auch in Zeiten, wo ich mich nach außen hin kaum damit beschäftigte, konnte es passieren, dass ich quasi morgens aufwachte und ein entscheidender Fortschritt im Verständnis von Jyotish sich wie von selbst eingestellt hatte.

Vermutlich ist es nicht mein erstes Leben, in dem ich mich mit Jyotish beschäftige. "Alles Lernen ist Wiederinnerung" sagt der griechische vedische Meister Platon.

Der Lernprozess ist immer noch im Gange. Ich bin oft sehr erfreut über das, was ich mittlerweile schon alles in einem Chart erkennen kann. Andererseits gibt es auch noch vieles, das ich noch nicht verstehe. Erst in letzter Zeit beginne ich z. B. sehr vorsichtig, alles was die Vorhersage betrifft, mit einzubeziehen.

Es war mir immer wichtig, einen gewissen Realismus in Bezug auf das wach zu halten, was ich in Jyotish kann und was nicht und nur mit dem hervorzutreten, was ich auch wirklich verstanden habe.

Jyotish als Teil des Veda

Jyotish ist eine wichtige Teildisziplin des Veda. Der berühmte vedische Meister Maharishi Parashara hätte sich sicherlich nicht mit diesem Thema beschäftigt, wenn es für die Bewusstseinsentwicklung nicht von großem Nutzen wäre. Aber es gibt auch andere Dinge im Leben, die zu dieser Entwicklung beitragen. Ausgewogenheit ist immer gut.

So interessant und faszinierend Jyotish auch ist – ich habe immer das Gefühl gehabt, dass ich mich nicht zu ausschließlich mit Jyotish beschäftigen und mich selbst auch nicht vornehmlich als "Astrologe" sehen will. Zu manchen Zeiten habe ich mich viel mit Jyotish beschäftigt, dann wieder längere Zeit fast garnicht.

Jyotish sehe ich als eine sehr nützliche Quelle von Wissen über mich selbst und andere an. Andererseits ist es noch wichtiger, den Bewusstseinszustand zu erreichen, von dem es im zweiten Kapitel der Bhagavad Gita heißt:

"So viel Nutzen, wie ein Brunnen hat, wenn ringsum alles von Wasser überflutet ist, so viel Nutzen haben alle Veden für den erleuchteten Brahman-Kenner." (BG 2.47)

Auf jeden Fall finde ich es wichtig, neben dem Jyotish-Studium auch andere Aspekte des Veda und des Lebens nicht zu vernachlässigen – die dann wiederum das Wachstum des Jyotish-Wissens unterstützen.

Die innere Haltung beim Betrachten eines Charts

Es hat sich für mich als wichtig herausgestellt, das Jyotish-Chart von jemandem nur dann zu interpretieren, wenn meine emotionale Haltung dabei nicht gerade stark von Hoffnung, etwas Gutes zu finden oder Furcht, etwas Schlechtes festzustellen, geprägt war. Eine wohlwollende, aber eher neutrale und nicht emotional aufgewühlte geistige Haltung ist am besten. Man sollte auch nicht das Horoskop von jemandem analysieren, dem gegenüber man gerade zornig oder verärgert ist. Wenn man in einer negativen Haltung ein Horoskop betrachten würde, um die Fehler und Schwächen des Horoskopeigners hervorzuheben, würde dies den Zugang zu der Quelle verschließen, die einen im Jyotish-Wissen wachsen lässt.

Auch wenn im Horoskop eines Menschen viele Problem-Konstellationen zu finden sind, ist dies übrigens kein Grund, bekümmert darüber zu sein. Es ist dann eben der Lebensplan des Horoskopeigners, sich unter erschwerten Trainingsbedingungen weiter zu entwickeln. Das heißt keinesweg, dass sein Leben deshalb weniger wertvoll wäre. Mir fällt dabei immer das Bild des Läufers ein, der die Olympiade gewinnen will und vom Trainer verordnet bekommen hat, mit Bleischuhen über die Strecke zu laufen. Er quält sich über die Rennbahn und wird von allen anderen überholt, aber später wird sich der Trainingseffekt zeigen.

Nutzen für andere

Soweit der Bericht über meine Jyotish-Entwicklung. Wenn einen Jyotish etwas lehrt, dann dies, dass die Menschen sehr unterschiedlich sind: was für den einen Medizin ist, mag für einen anderen Gift sein; eine Vorgehensweise, die für den einen erfolgreich ist, kann für den anderen lähmend oder nicht praktizierbar sein.

Dennoch hoffe ich, dass mein Bericht für den einen oder anderen, der Jyotish erlernen möchte, von Nutzen ist.

Michael Stibane