Die drei Gunas und Jyotish

Erstellt: September 2020, überarbeitet: Juni 2023

Im folgenden will ich an einem Beispiel darstellen, wie bereichernd es für eine verfeinerte Betrachtung von Jyotish ist, wenn man Jyotish im Licht vedischer Prinzipien betrachtet. Ich werde die Philosophie der drei Gunas mit den Grahas und ihrem Zusammenwirken in den Bhavas zusammendenken. Die zwei verschiedenen Teilgebiete des Veda - Jyotish und die Philosophie der drei Gunas - zueinander in Beziehung zu setzen ist nicht nur legitim, sondern auch sehr nützlich für ein tieferes Verständnis von Jyotish.

Vielleicht denkt der Eine oder Andere: "In den Jyotish-Büchern wird das Konzept der drei Gunas nicht auf diese Weise mit Jyotish verbunden, warum soll ich mich also mit so etwas belasten?" Es steht natürlich jedem frei, Gedanken aufzunehmen oder auch nicht. Eines ist jedoch sicher: Wenn man nicht tief in das vedische Denken einsteigt, sondern meint, dass man, nur mit dem Rüstzeug der politisch-korrekten Vorstellungen des frühen 21. Jahrhunderts ausgestattet, in Jyotish wirklich etwas erreichen kann, dann wird man nur an der Oberfläche dieses Wissens bleiben. Oder positiv ausgedrückt: Ein herzliches Willkommen denjenigen, die gewillt sind, die hier dargelegten Gedanken aufzunehmen und weiterzuführen.

Die drei Gunas und die Grahas als universale Kräfte

Sowohl die Philosophie der drei Gunas als auch das Jyotish-System ist universal - alles im Universum entsteht und besteht aus dem Zusammenspiel der drei Gunas und Maharishi Parashara stellt fest, dass alles im Universum unter dem Einfluss der Grahas steht. Hier drei Zitate dazu:

"In Wahrheit werden sämtliche Aktivitäten im Universum von den drei Gunas der Natur durchgeführt – aber der im Wahn des Ich-Bewusstseins Befangene denkt: Ich bin der Handelnde." - Bhagavad-Gita 3.27

Das 14. Kapitel der Gita heißt Gunatraya Vibhaga Yoga - Die Unterscheidung der drei Gunas. Es ist sehr lesenswert, wenn man mehr über die drei Gunas lernen will.

"Die Entwicklung und der Fortschritt und der Niedergang der Menschen und die Schöpfung und Zerstörung des Universums stehen sämtlich unter der Verwaltung und Autorität der Grahas. Daher sind sie höchst verehrungswürdig." - Brihat Parashara Hora Shastra 84.27

Das universale Konzept der drei Gunas ist in zahlreichen vedischen Schriften zu finden, unter anderem in den Puranas, der Bhagavad Gita und auch in Parasharas Jyotish-Werk, der Brihat Parashara Hora Shastra. Im Jyotish werden traditionell den Grahas und auch den Rashis die Gunas zugeordnet. Surya ist von Sattva geprägt, Shani von Tamas; Mesha ist ein Rajas- und Dhanu ein Sattva-Rashi usw. Das Zusammendenken der Jyotish-Prinzipien und des vedischen Konzepts der drei Gunas ist also garnichts Neues. Die Autoren der vedischen Schriften - auch Maharishi Parashara - erklären meistens nicht genau, was die drei Gunas grundsätzlich sind, weil sie voraussetzen, das man das bereits im "vedischen Kindergarten" gelernt hat und bestens damit vertraut ist.

Die drei Gunas und die vierfache Ordnung des Universums

In seinem großen astrologischen Werk "Brihat Parashara Hora Shastra" (BPHS) führt Maharishi Parashara aus: "Auf diese Weise regieren die Gunas entsprechend den Unterteilungen des Kala Purusha über alles, was sich in den verschiedenen Kategorien im Bereich der Schöpung bewegt und nicht bewegt. Auf diese Weise hat der Kala Purusha, entsprechend seiner eigenen Natur als Chaturvida (Vierfacher), die vierfache Ordnung des Universums hervorgebracht" - BPHS 76.21-22.

Der Kala Purusha ist der kosmische Zeitmensch, die Verkörperung des sich in der Zeit entfaltenden Universums. Die "vierfache Ordnung" des Universums beruht - Überraschung! - auf den drei Gunas; auch diese Begriffe erklärt Maharishi Parashara nicht, weil er voraussetzt, dass jeder seiner Schüler bestens mit ihnen vertraut ist.

So kommt die vierfache Ordnung durch die Kombination der drei Gunas zustande:

1. Sattva dominiert, Rajas ist am zweitstärksten.
2. Rajas dominiert, Sattva ist am zweitstärksten.
3. Rajas dominiert, Tamas ist am zweitstärksten.
4. Tamas dominiert, Rajas ist am zweitstärksten.

Das dritte Guna ist natürlich auch vorhanden, aber am schwächsten ausgeprägt.

Theoretisch gäbe es sechs Kombinationen der drei Gunas, aber da Sattva und Tamas ihrer Natur nach extrem entgegengesetzt sind, würde zwischen ihnen, wenn sie miteinander als stärkste und zweitstärkste Kraft kombiniert würden, sofort eine starke Schicht von Rajas entstehen, die das schwächere der beiden Gunas Sattva und Tamas in den Hintergrund drängen würde. Die Kombinationen "Sattva dominiert und Tamas ist am zweitstärksten" sowie "Tamas dominiert und Sattva ist am zweitstärksten" kann es daher nicht geben.

Das gesamte Universum ist in diese vierfache Ordnung eingebettet. Hier ein paar Beispiele:

Die gesellschaftliche Ordnung der vier Varnas, der Haupt-Berufsgruppen:

1. Brahmanas - Priester, vedische Wissenschaftler
2. Kshatriyas - Herrscher, Krieger
3. Vaishyas - Kaufleute, Händler
4. Shudras - Arbeiter, Diener

Die vier Hauptlebensziele des Menschen:

1. Moksha - Erleuchtung
2. Dharma - Aktivität in Einklang mit dem kosmischen Gesetz (dharma)
3. Artha - Erwerb von Wohlstand
4. Kama - Genuss und Sinnesfreuden

Die vier Zeitalter:

1. Sat Yuga
2. Treta Yuga
3. Dvapara Yuga
4. Kali Yuga

Tabelle zu den Gunas und den Grundelementen von Jyotish

Hier eine Tabelle, um die Zuordnung der Gunas zu den Rashis, Grahas und Bhavas zu veranschaulichen:

Die Zuordnungen der 12 Rashis und der 7 Grahas folgen der Beschreibung von Parashara. Eine provisorische Zuordnung von Rahu und Ketu habe ich selbst vorgenommen. Auch die Zuordnung der Bhavas zu den Gunas ist von mir. Die Kendras (Eckhäuser) sind Häuser der größten Dynamik und daher dem Rajas zugeordnet. Sattva-Häuser sind die segensreichen Trikonas (Trigonalhäuser) 5 und 9. Dem Tamas sind die Häuser zugeordnet, die von Parashara als ungünstige Häuser eingestuft werden, das sind alle außer den Kendras und Trikonas. Die Tabelle soll nur der Übersicht dienen und bietet lediglich eine sehr allgemeine Zuordnung der Gunas. Eine speziellere Zuordnung ergibt sich aus der tatsächlichen Stellung der Grahas in einem Chart und ihrer Wechselwirkung untereinander und mit den Zeichen und Häusern.

Die drei Gunas und die Grahas in den Rashis

Die Prinzipien der drei Gunas lassen sich auch auf die Stellung der Grahas in den Rashis anwenden. Ein Planet im Zeichen der Erhöhung ist vornehmlich von Sattva geprägt, ein Planet im Fall von Tamas und ein Planet im Zeichen eines neutralen Planeten von Rajas.

Nun betont ja die Philosophie der drei Gunas, dass die Gunas im Universum niemals in ihrer reinen Form existieren, sondern stets miteinander vermischt sind. In allem im Universum sind stets alle drei Gunas gegenwärtig, aber in unterschiedlichem Verhältnis. In der unbelebten Materie, z. B. in einem Stein, dominiert das Tamas (bewusstlose Trägheit), aber Rajas und sogar Sattva sind ebenfalls in ihm vorhanden, wenn auch in geringerem Grad. In einem Deva, einem Gott, dominiert das Sattva (in sich wache, freudevolle Stille), aber auch Anteile von Rajas und sogar Tamas sind in ihm zu finden. Auf der Erde und im menschlichen Leben herrscht das Rajas (Tätigkeit) vor, aber auch Sattva und Tamas sind stets gegenwärtig.

Die folgende Tabelle ordnet die Gunas der Qualität der Stellung der Grahas in den Rashis zu:

Was hier als alleiniges Sattva, Rajas und Tamas aufgeführt ist, bedeutet nicht das reine jeweilige Guna, sondern nur seine ausgeprägte Dominanz, mit sehr kleinen Anteilen der anderen Gunas. Sattva-Rajas steht für die Vorherrschaft von Sattva mit einem vergleichsweise geringerem, aber nicht zu verleugnendem Anteil von Rajas und einem sehr geringen Anteil von Tamas usw.

Unter Sattva sind der Einfachheit halber drei Stellungen der Planeten zusammengefasst: Erhöht, im Mulatrikona-Zeichen und im eigenen Zeichen. Genau genommen ist der Sattva-Anteil in den zuerst genannten jeweils noch etwas höher, also in der Erhöhung höher als in Mulatrikona und in Mulatrikona höher als im eigenen Zeichen. Auch zwischen der Stellung im Zeichen und im exakten Grad der Erhöhung/des Falls wird in der Tabelle nicht unterschieden.

Direkte Sattva-Tamas-Kombinationen gibt es nicht, weil, wie oben bereits ausgeführt, bei der Begegnung von Sattva und Tamas immer sofort "eine Schicht" von Rajas zwischen ihnen entsteht. Die ursprünglichen 4 Kombinationen der Gunas - Sattva-Rajas, Rajas-Sattva, Rajas-Tamas und und Tamas-Rajas - welche "die vierfache Ordnung" der Schöpfung bilden, werden hier auf 7 erweitert, um sie den unterschiedlichen Qualitäten der Grahas zuweisen zu können, welche diese aufgrund ihrer Stellung in einem Tierkreiszeichen aufweisen.

Die Dynamik der Gunas

Leben bedeutet Entwicklung, Evolution, ständige Veränderung. Das Tamas steht im Evolutionsprozess für den unentwickeltsten, primitivsten, gröbsten, dumpfsten, unbewusstesten Anfangszustand, das Sattva für das Ziel der Entwicklung, den reinsten und verfeinertsten Zustand freudevoller, ungetrübter, stiller, vollkommener Wachheit. Die Höherentwicklung von Tamas zu Sattva und ebenso der Niedergang von Sattva zu Tamas geht über Transformationsprozesse, über Aktivität, über Rajas. Sattva steht für Bewusstsein, Tamas für Materie und Rajas für Aktivität.

Die Anfangsphase der extremen Dominanz von Tamas ist durch fast völlige Unbewusstheit, Trägheit, Bewegungslosigkeit und Leblosigkeit gekennzeichnet. Einen Stein oder einen Baum kann man als Beispiel für diese Phase heranziehen, wenngleich im Falle des Baumes natürlich schon höhere Anteile von Rajas und auch Sattva im Spiel sind und er keineswegs leblos ist. Die Pflanzen und Bäume könnte man auch der Tamas-Rajas-Phase zuordnen. Jede der hier angeführten Phasen umfasst in Wirklichkeit eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Anteile von Sattva, Rajas und Tamas und die Übergänge sind fließend.

In der ersten Stufe des Evolutionsprozesses beginnt unter dem Einfluss von Sattva am Rande der trägen, leblosen Masse von Tamas eine erste Schicht von Rajas zu entstehen - das Tamas kommt in Bewegung. Dies ist die Tamas-Rajas Phase, wo das Tamas (Dumpfheit) noch dominiert und das Rajas (Aktivität), an zweiter Stelle stehend, noch stark von Tamas beherrscht wird; Sattva ist hier nur minimal vorhanden. In einer Analogie kann man sich die Tamas-Rajas-Phase als Krokodil vorstellen, das zumeist träge in brackigem Wasser ruht oder ab und zu etwas paddelt und nur aktiver wird, wenn es um das Ergreifen von Beute geht (Objektbezogenheit ist ein Merkmal von Tamas).

Unter dem fortgesetzten Einfluss von Sattva wird das Rajas immer stärker, bis es in der Phase von Rajas-Tamas vorherrscht und das Tamas nur noch an zweiter Stelle steht; Dumpfheit ist noch ein starker Faktor, aber Aktivität dominiert; auch ein kleiner Anteil von Sattva (Wachheit) ist bereits im Spiel. Eine Tier-Entsprechung könnte ein Tiger oder Löwe sein, der sich langsam durch den Dschungel oder die Savanne bewegt und dann explosive Dynamik bei der Jagd entwickelt.

In der nächsten Entwicklungsphase herrscht dann ganz das Rajas vor und die kleineren Anteile von Tamas und Sattva halten sich in etwa die Waage. In der Tierwelt könnte dies einer Herde von Antilopen entsprechen, die fast immer in Bewegung ist, aber ab und zu ruhig grast (Tamas-Anteil) oder innehält, um aufmerksam die Umgebung zu beobachteten (Sattva-Anteil).

In der Rajas-Sattva-Phase dominiert noch immer die Aktivität von Rajas, die sich aber ein wenig beruhigt hat und bereits mit erhöhter Wachheit und Bewusstheit einhergeht. Die Dumpfheit und Trägheit von Tamas steht nur noch an dritter Stelle. Unter den Lebewesen kann man diese Phase dem Menschen zuordnen, auch wenn auf der menschlichen Ebene prinzipiell die ganze Bandbreite von Sattva-Rajas-Tamas-Kombinationen zur Verfügung steht, deren Schwerpunkt sich in unterschiedlichen Zeitaltern zudem deutlich verschiebt.

Auf der Sattva-Rajas-Evolutionsstufe sind die Aktivität, Leidenschaftlichkeit und Unruhe des Rajas in den Hintergrund getreten, aber durchaus noch ein Faktor; freudevolle Stille und große Wacheit stehen im Vordergrund. Die Himmelswelten der Gandharvas, Siddhas, Pitris usw. stehen für unterschiedliche Grade des vorherrschenden Anteils von Sattva und der Stärke des Anteils von Rajas (und Tamas).

Das Sattva herrscht in Svarga, der Himmelswelt der Devas, der Götter, vor – siehe dazu mein Artikel über die Puranas . Hier ist alles von der Weite lieblicher, stiller, freudevoller Wachheit durchdrungen. In der vedischen Literatur finden sich in den Puranas aber auch deutliche Hinweise darauf, dass selbst hier noch Aspekte von Rajas und Tamas zu finden sind. In der Welt der Gunas ist alles relativ und alles in Bewegung.

Die drei Gunas auf der Ebene der Emotionen und des Verhaltens

Richtig interessant wird es, wenn man die oben beschriebenen verschiedenen Entwicklungsphasen den unterschiedlichen Gemüts-Zuständen und Verhaltensweisen zuordnet, die im Leben des Menschen auftreten.

In der ersten Phase der extremen Tamas-Dominanz herrscht Dumpfheit vor. Gefühle sind so gut wie nicht vorhanden und Aktivität ist wenig festzustellen. Auf der menschlichen Ebene entspräche das in der ausgeprägtesten Form von Tamas einem Zustand des Bewusstseins und der Emotionen in der Nähe des Komas, der Bewusstlosigkeit, der Schockstarre oder des Schlafs. Ein Mensch in diesem Zustand kann nach außen hin täuschend gemütlich und harmlos erscheinen ("Väterchen Stalin"), aber seine Wirkung auf die Umgebung ist katastrophal, da er völlig unberührt ist von menschlichen Gefühlen und Moralvorstellungen. Die Gefahr, die von ihm ausgeht, drückt sich nicht erst in seinen Handlungen aus, sondern seine bloße Präsenz lässt gleichsam um ihn herum alles Leben und alle Gefühle absterben. Er ist für sein Umfeld ein Katalysator für alle Arten von zerstörerischen Prozessen, ein Asura (Dämon) in Menschengestalt, vergleichbar mit Ravana im Ramayana oder Duryodhana im Mahabharata - oder mit einem Atomkraftwerk, das nach außen hin keine bedrohliche Aktivität erkennen lässt, aber alles Leben in seiner Umgebung schädigt.

Die Tamas-Rajas-Phase ist durch Gefühle und Verhaltensweisen gekennzeichnet, die auf der menschlichen Ebene als extreme Bedrohlichkeit und Destruktivität in Erscheinung treten. Ein Mensch in diesem Zustand verhält sich wie ein Krokodil, um auf das obige Beispiel für diese Entwicklungsphase zurückzugreifen. Gedanken, Gefühle und Verhalten sind auf den eigenen Körper und Stoffwechsel reduziert. Andere Menschen werden lediglich als Objekte wahrgenommen und das Verhalten ihnen gegenüber orientiert sich ausschließlich daran, ob sie für die Verwirklichung der eigenen primitiven und extrem Objekt-bezogenen Ziele als förderlich oder hinderlich angesehen werden. Ein Mensch in diesem Zustand weiß noch nicht einmal, was Gefühle sein könnten. Er kann ein Dokument unterschreiben, das ihm Profit sichert und gleichzeitig Elend und Tod über Tausende von Menschen bringt, ohne irgend etwas dabei zu empfinden oder auch nur in Erwägung zu ziehen, dass es hier ein Problem geben könnte. Er empfindet dabei weder Hass noch Zorn, sondern schlichtweg garnichts. Moralische Prinzipien existieren für ihn nicht. Wenn eine Handlung zu dem angestrebten Ergebnis führt, wird sie ausgeführt; welche anderen Auswirkungen dabei im Umfeld oder als Folgen dieser Handlung auftreten, wird nicht in Betracht gezogen. Das Motto dieses Zustandes drückt sich aus in den Worten "ist mir egal".

Auf der Rajas-Tamas-Stufe ist das Verhalten von negativen Emotionen geprägt. Wut, Hass, Rachsucht, Gier, Sadismus und ähnliche Gefühle reißen den Geist eines solchen Menschen mit sich und bestimmen sein Verhalten. Dabei kann er sich in geringem Grade bewusst sein, dass er sich in einem Ausnahmezustand befindet und Dinge tut, die er eigentlich nicht tun sollte, vermag sein Verhalten aber nicht zu ändern, sondern rechtfertigt sich damit, dass sein Verhalten aufgrund der Umstände angemessen und notwendig sei. Auf Versuche, ihn zu beruhigen und sein Verhalten zu korrigieren, reagiert er mit erhöhter Wut.

Im extrem vom Rajas beherrschten Zustand sind die Gefühle und das Verhalten durch Aufregung und starke Leidenschaften geprägt, gleichermaßen durch Begierde und Zorn, Zuneigung und Abneigung, Liebe und Hass. Die Sinne reißen den Geist in die eine oder andere Richtung mit sich. Werte und moralische Prinzipien (Sattva) spielen hier kaum oder nur als Rechtfertigung des eigenen Verhaltens eine Rolle. "Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt" ist hier das Motto.

Im 3. Kapitel der Bhagavad Gita fragt Arjuna in Vers 36: "Wodurch wird ein Mensch dazu getrieben, Übles zu tun – sogar gegen seinen Willen, o Varshneya, als würde er gewaltsam dazu gezwungen?" Shri Krishna antwortet ihm: "Dies geschieht durch die Begierde und den Zorn, die dem Rajo-Guna entspringen – sie sind alles-verschlingend und gar übel. Wisse, diese sind die Feinde hier auf Erden."

Wenn das Rajas an erster und das Sattva an zweiter Stelle ist, stehen das leidenschaftliche Streben nach Wunscherfüllung, Adrenalinrausch und Sinnesfreuden im Vordergrund. Die Ziele sind überwiegend positiv und zu ihrer Verwirklichung nimmt man auf Prinzipien guten Verhaltens Rücksicht, solange das die Wunscherfüllung nicht zu sehr behindert. Feindselige Emotionen wie Zorn können aber enstehen, wenn Widerstände auftreten. Neid ist ebenfalls ein Thema. Auch Wettkampf mit einem gewissen Sportsgeist, Sinn für Fairness und Einhalten von Regeln, hat große Bedeutung. Fitness, Stärke und die Fähigkeit zu dynamischer Aktivität sind primäre Lebensziele.

Im Zustand von Sattva-Rajas stehen freudevolle Empfindungen und ein liebevolles und gutes Verhalten im Vordergrund. Leidenschaft ist noch vorhanden, äußert sich aber eher in der Leidenschaft, Gutes zu tun – allerdings ist damit infolge des Rajas-Anteils meist noch die Absicht verbunden, Gutes zu tun, um dafür erfreuliche Erfahrungen, eine gute Geburt im nächsten Leben oder den Aufenthalt in Himmelswelten als Belohnung zu erlangen. Prinzipientreue und moralische Erwägungen (Sattva) prägen das Verhalten. Für das Handeln spielt der Gedanke eine große Rolle, was mit einem selbst und anderen geschieht, wenn man auf diese Weise handelt, während das Erreichen eines objektiven Zieles (Tamas) nicht mehr die alles-entscheidende Rolle spielt.

Wenn Sattva in einer sehr reinen Form die Gefühle und das Handeln bestimmen, ist man im Nicht-Handeln, in der weiten, freudevollen, in sich wachen Stille des eigenen innersten Bewusstseins gegründet, während man handelt. Man tut Gutes einfach, um Gutes zu tun, und weil dies der eigenen Natur entspricht. Man fühlt sich mit allen Wesen verbunden und ist sich des Feld-Charakters des Handelns voll bewusst, d. h. man weiß, dass jede Handlung alles im Universum beeinflusst und die Fixierung auf die Erlangung eines einzigen Objektes als Ziel der Handlung (Tamas) ist ganz in den Hintergrund getreten. Dies ist die Art, wie die Devas, die Götter, handeln: durch die Weite und Klarheit ihres Bewusstseins sind sie fähig, Handlungen so auszuführen, dass deren Folgen im gesamten Universum ganz überwiegend positiv sind. Dies wird in den vedischen Schriften Yagya-Handlung genannt, was evolutionäres Handeln bedeutet. Ein Mensch in diesem Zustand ist ein Heiliger, ein Erleuchteter, ein Segen für die Welt, selbst wenn er nach außen hin nicht aktiv erscheint oder sich gänzlich verborgen in einer Höhle oder in einem tiefen Wald der Meditation widmet.

Dauerhaft in Sattva gegründet kann ein Mensch nur sein, wenn er das Selbst, den Atman, verwirklicht hat, der jenseits der Gunas ist. In der Bhagavad Gita fordert Shri Krishna seinen Schüler Arjuna (und damit alle Menschen) auf, ein solcher Mensch zu sein:

"Die Veden behandeln die drei Gunas – sei ohne die drei Gunas, Arjuna, frei von Zweiheit, ewig in Reinheit (Sattva) gegründet, nicht an Besitz gefesselt, ganz dem Selbst (Atma) zugehörig." (BG 2.45)

Es ist wichtig zu verstehen, dass die hier geschilderten Entwicklungsphasen sich in jedem Entwicklungsprozess im Universum wiederfinden, d. h. jede Entwicklung geht über die Anfangsphase der extremen Tamas-Dominanz, über Tamas-Rajas, Rajas-Tamas, Rajas-Dominanz, Rajas-Sattva, Sattva-Rajas bis hin zur ausgeprägten Sattva-Dominanz. In jeder Entwicklungsphase werden die entsprechenden Gemütszustände und Handlungsweisen auftreten, die oben beschrieben wurden.

Die Anwendung dieser Prinzipien bei der Analyse eines Jyotish-Charts

In welcher Entwicklungsphase ein Planet sich befindet, geht aus seiner Stellung im Zeichen der Erhöhung, des eigenen Zeichens, des Zeichens des besten Freundes, des Freundes, im Zeichen eines ihm gegenüber neutralen Planeten, im Zeichen des Feindes, des Todfeindes und seinem Zeichen des Falls hervor, wie es in der obigen Tabelle aufgeführt ist.

Die Wechselwirkung der Grahas untereinander in den Bhavas als Karakas, Herren, Bewohner und über Aspekte zeigt an, von welchem Ausgangszustand aus sich die Angelegenheiten eines Hauses in welche Richtung entwickeln. Dies eröffnet einen Blick darauf, welch große Dynamik sich in jedem Haus aus dem Zusammenwirken der Grahas entwickelt.

Nehmen wir einmal das extreme Beispiel, dass der Karaka des Hauses sich im Fall befindet und der Herr des Hauses erhöht ist. Dies bedeutet, dass die Grundsituation des Hauses sich im Tamas-Zustand befindet und der Planet, der Herr über die Entwicklung des Hauses ist, im Sattva-Zustand. Die Folge hiervon ist, dass in diesem Haus ein extrem dynamischer Entwicklungsprozess vonstatten geht, in dem all die oben geschilderten Phasen der Entwicklung durchlaufen werden, um die Angelegenheiten des Hauses von ihrem denkbar unentwickelten, primitiven Zustand in ihren geläutertsten, erfreulichsten, besten Zustand umzuwandeln. Dies bedeutet auch, dass die ersten Phasen der Entwicklung der Angelegenheiten des Hauses extrem unerfreuliche Erfahrungen mit sich bringen werden, ehe sie schließlich gedeihen und später hochwertig und erfreulich werden.

Wenn der Karaka des Hauses im Zeichen eines neutralen Planeten steht und der Herr im Zeichen der Erhöhung, wird nach einer Phase der Unruhe und Umstrukturierung, die mitunter auch etwas unerfreulich sein kann, relativ rasch ein erfreulicher Zustand erreicht. Die problematischen Tamas-Rajas- und Rajas-Tamas-Phasen treten hier gar nicht auf - vermutlich bzw. sogar gewiss, weil sie in vorherigen Leben bereits abgearbeitet wurden.

Stehen der Herr und der Karaka des Hauses beide im Zeichen der Erhöhung, so werden die Angelegenheiten des Hauses sich auf gleichbleibend hohem Niveau erfreulich und erfolgreich gestalten. In diesem Fall erntet man hier einfach die Folgen der eigenen guten Handlungen (Karma) der Vergangenheit.

Wenn der Karaka des Hauses erhöht ist und der Herr des Hauses sich im Fall befindet, werden die guten Voraussetzungen für die Angelegenheiten des Hauses in rauschhafter Verblendung zugrundegerichtet. In diesem Fall führt dies über Sattva-Rajas und Rajas-Sattva, d. h. über erfreuliche und aufregend-genussvolle Erfahrungen, schließlich zu den Albtraum-Erfahrungen von Tamas-Rajas und schließlich zur Vernichtung der Angelegenheiten des Hauses (Tamas).

Die unterschiedlichen Erfahrungen der Entwicklung von Tamas zu Sattva und des Verfalls von Sattva zu Tamas, die jeweils über die Rajas-Phase gehen, werden in der Gita beschrieben:

"Nun aber höre von Mir von den drei Arten der Freude, o Bester der Bharatas. Die Freude, die man nach einer langen Zeit regelmäßiger Übung genießt und mit ihr das Ende des Leidens erreicht, welche am Anfang wie Gift und am Ende wie der Nektar des Unsterblichkeitstrankes ist – diese aus der Stille des eigenen Bewusstseins entstehende Freude wird sattva-artig genannt.

Die Freude, welche aus der Verbindung der Sinne mit den Sinnesgegenständen entsteht und die am Anfang wie Nektar, am Ende aber wie Gift ist – eine solche Freude gilt als rajas-artig.

Die Freude, welche sowohl am Anfang als auch nachfolgend nichts als Selbsttäuschung ist und aus Dumpfheit (Schlaf), Trägheit und dem Rausch des Vergessens der Sorgen entsteht, wird tamas-artig genannt." - Bhagavad-Gita 18.36-39

Die zum Schluss beschriebene tamas-artige Art von Freude würde der Situation entsprechen, dass Karaka und Herr des Hauses sich im Fall befinden. Freude ist das dann nur dem Namen nach: man ist dem Leiden (Rajas) entgangen und in einen Zustand der Dumpfheit (Tamas) geraten, der insofern nicht leidvoll ist. Von dort aus muss man aber später, von der Kraft der Evolution dazu gezwungen, der niemand sich auf Dauer entziehen kann, all die Phasen bis hin zum Sattva durchlaufen, mit den unerfreulichen Tamas-Rajas und Rajas-Tamas-Phasen beginnend. Der Weg zurück ins Tamas - z. B. über Alkohol, Drogen, Psychopharmaka oder absichtliche Überanstrengung - ist also keine dauerhafte Lösung.

Ein Haus im Jyotish-Chart, in dem sich kein Graha als Bewohner befindet, mag einem zunächst wie leer erscheinen, aber dieser Eindruck verliert sich, wenn man die große Dynamik erkennt, die über die Betrachtung der sieben Stadien der Entwicklung aus dem Zusammenspiel von Karaka und Herr eines Hauses ins Spiel kommt.

Noch größere Komplexität der Prozesse in einem Haus und in einem Jyotish-Chart

In der Praxis stellt sich, über diese 7 Stadien hinaus, das Zusammenspiel von Herr und Karaka eines Hauses dann einiges komplexer dar, aber es ist dennoch gut, die Grund-Mechanismen zu kennen. Wenn z. B. Herr und Karaka eines Hauses erhöht, aber natürliche Übeltäter sind, sinkt das prinzipiell hohe Sattva-Niveau etwas ab. Wenn beide miteinander verfeindet sind, entsteht im Haus mehr Rajas, weil der Herr des Hauses das eigentlich sehr gute Angebot des Karakas nicht akzeptieren will und es daher nach seinem eigenen Vorstellungen umgestaltet; Umgestaltung bedeutet Rajas.

Wenn der Karaka im Fall ist und der Herr erhöht, wird zwar eine Verbesserung der Situation des Hauses stattfinden, weil der Herr des Hauses immer der aktivere und mächtigere Faktor ist. Aber der Herr des Hauses wird nicht ganz unberührt bleiben von der katastrophalen Situation, die er zunächst vorfindet und seine Hochstimmung, in der er sich aufgrund seiner Stellung im Zeichen seiner Erhöhung befindet, wird darunter leiden. "Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein" hat der Philosoph Friedrich Nietzsche einmal gesagt.

Steht der Herr des Hauses im Fall und der Karaka ist erhöht, dann findet - über die beschriebenen Phasen - ein Niedergang der Angelegenheiten des Hauses statt. Aber der Herr des Hauses wird, trotz seines eigenen desolaten Zustandes, nicht gänzlich unberührt davon bleiben, dass ihm hier die hoch-entwickelten Möglichkeiten für das Haus präsentiert wurden.

Zu beachten ist dann in der Analyse eines Horoskops auch, dass der Herr und der Karaka des Hauses in den Phasen seiner Dasha-, Antardasha- und Pratyantardasha-Herrschaft seinen Einfluss auf das Haus erneuert. Die zuvor in der Beschreibung der sieben Phasen suggerierte, idealisierte Vorstellung eines kontinuierlichen Auf- oder Abschwungs in einem Haus wird dadurch relativiert.

Weitaus komplexer wird die Dynamik in einem Haus, in dem nicht nur der Herr und der Karaka agieren, sondern in dem sich mehrere Grahas in unterschiedlichen Zuständen befinden und das vielleicht zudem noch von weiteren Planeten aspektiert wird, deren Niveau ebenfalls unterschiedlich ist. Aber das Wissen um die Dynamik, die im Zusammenspiel der drei Gunas entsteht und sich über sieben Hauptphasen entfaltet, hilft einem, diese Komplexität zumindest zu erkennen, schließlich vielleicht sogar zu meistern und die Situation im Haus und die in dem Haus stattfindenden Prozesse richtig einzuschätzen.

Was die Komplexität des Ganzen dann noch weiter erhöht ist die Tatsache, dass ein Haus im Horoskop, auch wenn man es zunächst einmal für sich allein analysiert, letztlich niemals isoliert betrachtet werden kann. Das gesamte Horoskop ist ein Feld, in dem alles mit allem verbunden ist, wenn auch auf differenzierte Weise. Ein von Sattva dominiertes Haus ist wie ein Hochdruckgebiet im Chart, ein von Tamas dominiertes Haus wie ein Tiefdruckgebiet. Das Tiefdruckgebiet saugt das Hochdruckgebiet an und das Licht des Sattva-Hauses fließt zum Teil in in die dunklen Bereiche des Tamas-Hauses.

Dem trägt Maharishi Parashara Rechnung, wenn er z. B. am Anfang des 10. Kapitels der BPHS sagt:

"Sollte sich einer der drei Grahas Merkur, Jupiter und Venus vom Aszendenten aus [in guter Zeichenstärke natürlich, also erhöht usw.] in einem Eckhaus befinden, werden sämtliche Übel vernichtet, wie die Sonne die Dunkelheit beseitigt.

So, wie nur eine einzige verehrungsvolle Verneigung vor Shiva, dem Träger des Dreizacks, einen von allen Sünden befreit, wird ein alleinstehender, aber starker Jupiter im Aszendenten sämtliche Übel abwehren.

Der Herr des Aszendenten ist für sich allein fähig, sämtliche Übel zu beseitigen, wenn er stark in einem Eckhaus steht – gerade so wie Shiva, der den Bogen in der Hand hält, die drei Städte (der Asuras) vernichtete."

Die Meisterung dieser Komplexität

Ein Jyotish-Chart ist ein hochkomplexes Gebilde. Nur so kann es die noch größere Komplexität des Lebens angemessen widerspiegeln. Nur ein erleuchteter Jyotishi vermag diese Komplexität zu meistern und "Jyotish Mati Pragya", Perfektion in Jyotish, zu erreichen. Jeder Jyotish-Schüler sollte sich der Entwicklung höherer Bewusstseinszustände widmen, wenn er substanzielle Fortschritte in seinem Jyotish-Studium machen will. Praktizieren von Yoga, insbesondere Yoga-Meditation, z. B. der Transzendentalen Meditation (TM), ist dafür unerlässlich.

Ein TM-Fortgeschrittenenprogramm ist das TM-Sidhi-Programm. Es beruht auf fortgeschrittenen Yoga-Techniken, die Maharishi Patanjali im 3. Kapitel der Yoga-Sutras (YS) als "Samyama" beschreibt. Die Ausübung von Samyama setzt voraus, dass reines Bewusstsein (Samadhi) zuvor durch regelmäßige tägliche Meditation (Dhyana) stabilisiert wurde. Ich erwähne das hier, weil einige dieser Samyama-Techniken höhere Funktionen des Bewusstseins aktivieren, die unmittelbar mit Jyotish zu tun haben.

Patanjali sagt:

"Durch Anwendung des Samyama auf das strahlende Licht entsteht das Wissen um um das Subtile, das Verdeckte und das Entfernte" (YS 3.26). Der Bezug des Ausdrucks "strahlendes Licht" zu Jyotish ist offensichtlich.

"Durch Anwendung des Samyama auf die Sonne entsteht das Wissen um das Weltall. Durch Anwendung des Samyama auf den Mond entsteht das Wissen um die Sternenfülle. Durch Anwendung des Samyama auf den Polarstern entsteht das Wissen um den Wandel der Sterne" (YS 3.27-29).

Die hier zitierte deutsche Übersetzung der Aussagen von Patanjali ist sicher nicht optimal, aber es wird deutlich, dass es hier um die Entwicklung von Jyotish Mati Pragya geht.

Wer Jyotish Mati Pragya verwirklicht hat, wie z. B. Maharishi Parashara, Garga und andere traditionelle Jyotishis, und als wahrscheinliches modernes Beispiel, das ich fand, Pandit Kedar Sharma, braucht keinen Computer, um ein präzises Jyotish-Chart zu erstellen. In das menschliche Gehirn ist ein Planetarium eingebaut, das von einem hochentwickelten Bewusstsein direkt genutzt werden kann. In meinen Literatur-Empfehlungen habe ich aus dem Buch von Dr. Tony Nader "Menschlicher Körper - Ausdruck des Veda" (leider derzeit vergriffen) ein paar Abbildungen dazu aufgeführt.